Süddeutsche Zeitung

Solidarische Landwirtschaft in Haimhausen:"Man muss mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie"

Lesezeit: 3 min

Seit 2019 gibt es die Solidarische Landwirtschaft Ampergarten. In dem zertifizierten Naturland-Betrieb werden auf 3000 Quadratmetern viele Gemüsesorten mit minimalem Energieaufwand angebaut. Die 70 Mitglieder zahlen einen Monatsbeitrag, dafür erhalten sie wöchentlich eine pflückfrische Bio-Gemüsekiste.

Von Alexandra Vettori, Haimhausen

Idyllischer kann Gemüse kaum wachsen. Vögel zwitschern, der Blick schweift weit über Felder und Wiesen, ein Stück weiter fließen, hinter hohen Bäumen verborgen, Amper und Mühlbach. Dazwischen viele Beete mit vielen, vielen Gemüsesorten. 3200 Quadratmeter Anbaufläche sind es derzeit, sagt Henriette von Haniel. Dass viel auf einem Fleck wächst, und das bei maximaler Artenvielfalt, gehört zum Konzept im Ampergarten gleich neben dem Haimhauser Schloss.

"Es hat mich einfach so gestört, dass es hier so wenig regionales Biogemüse gibt", erzählt Henriette von Haniel beim gemächlichen Gang durch die Beetreihen. Ihre Familie betreibt zwar Landwirtschaft, sie arbeitet auch im Betrieb mit, jedoch werden dort nur klassische Feldfrüchte angebaut, Getreide, Zuckerrüben, Soja. Einen eigenen Gemüseanbau mit Direktvermarktung wollte sich die 56-Jährige nicht antun, "und dann kam ich zum Glück auf die Solawi". Solawi steht für Solidarische Landwirtschaft und beschreibt ein Prinzip, wonach die Verbraucher nicht das einzelne Lebensmittel finanzieren, sondern den kompletten landwirtschaftlichen Betrieb. Sie zahlen also ein Jahr lang einen bestimmten Monatsbeitrag und erhalten dafür wöchentlich ihren Anteil an der Ernte. Für den Produzenten bedeutet das sichere Einnahmen, die in faire Löhne und in Kosten der anstehenden Saison, etwa Saatgutkauf, investiert werden können.

Jeden Freitag holen sich die Kunden ihren Ernteanteil ab

Im Ampergarten holen sich die Kunden jeden Freitag von 16 bis 18.30 Uhr ihr Gemüse ab, es gibt die Single-Kiste für monatlich 45 Euro mit fünf bis sechs verschiedenen Gemüsesorten sowie die Familienkiste für 65 Euro im Monat mit acht bis neun Sorten und es gibt die Single-Kiste plus, die zwar so viel kostet wie die kleine Kiste, aber so viel enthält wie die große. Sie ist für Kunden, die auf dem Acker mithelfen. Was zu tun und wann Hilfe nötig ist, erfährt man in der Ampergarten-Whatsapp-Gruppe, sogar einen Instagram-Account gibt es, für die bildgerechten Neuigkeiten.

2019 hat sich Henriette von Haniel für ihre Idee einen Berater gesucht, der sie bei der Umsetzung unterstützte. Mit 30 Mitgliedern ist man dann gestartet, die kamen zusammen, "weil ich, glaube ich, ein Jahr lang praktisch mit allen meinen Bekannten darüber geredet habe", wie sie mit einem Lächeln erzählt. Mittlerweile hat der Ampergarten 70 Mitglieder und zwei Angestellte. Sogar tierische Helfer gibt es seit kurzem, der vielen Schnecken wegen: Drei indische Laufenten sollen sich der Sache annehmen, den Rest besorgt eine kleine Hühnerschar im mobilen Gehege, die auch gerne Schneckeneier aufpickt.

An diesem Nachmittag hat Gärtnerin Jasmin Gutöhrlein viel zu tun, studiert hat sie zwar Garten- und Landschaftsbau, allerdings mit Schwerpunkt Gemüseanbau. Deshalb kennt sie alle Kniffe, weiß, welches Gemüse nach oder neben welches andere gepflanzt werden muss, damit sich die Pflanzen in ihren Bedürfnissen gegenseitig unterstützen. Angebaut werden nicht nur Standardgemüse und -Salate, sondern auch Exotischeres: blauer Kohlrabi, asiatischer Pak Choi und Tatsoi, Zuckermelonen, Physalis oder Zuckererbsen. Sogar ein Teebeet mit Drachenkopf, Minze und Tulsi, indischem Basilikum, gibt es in einer Ecke. "Viel Verschiedenes und was man nicht im Supermarkt bekommt", beschreibt Jasmin Gutöhrlein das Sortiment. Auch das Prinzip des "Market Gardening" befolgt sie, es bedeutet intensiven Anbau auf kleiner Fläche, wobei die Erde nie nackt ist. "Wo grad kein Gemüse wächst, wächst Gründüngung, das ist gut für Mikroklima und Bodenlebewesen", erklärt sie.

Was den Maschineneinsatz anbelangt, so lebt man auf sehr kleinem Fuß im Ampergarten, es gibt nur einen Hand-Traktor mit Fräse und Egge. "Irgendwann" sagt die Gärtnerin, "braucht man das auch nicht mehr und dann braucht man keinen Diesel mehr". Bis dahin aber muss sich der Boden noch ein wenig entwickeln. Mittlerweile gibt es einen Folientunnel als Gewächshaus für Tomaten, Gurken und andere wetterfühlige Gemüse, bewässert wird mit einem System, das sich aus dem Grundwasser speist.

Mit speziellen Wiesen lockt man Insekten an, unter ihnen viele, die Schädlinge gerne fressen

Zwischen den Beeten fallen Wiesenstreifen mit Blumen und vielen Schmetterlingen auf, das Summen der Hummeln und Bienen ist nicht zu überhören. Es sei eine Rieger-Hofmann-Wiese, mit Pflanzen, die besonders insektenfreundlich sind, erklärt Henriette von Haniel. Den erwünschten Effekt merkt man schon jetzt: "Wir haben total viele Schwebfliegen, das ist heuer besonders wichtig, wo es so viele Blattläuse gibt." Gärtnerin Jasmin Gutöhrlein lächelt und fügt an: "Man muss mit der Natur, nicht gegen sie Natur arbeiten." Zu groß soll der Ampergarten denn auch werden, ein paar mehr Mitglieder können es aber noch werden.

Nähere Informationen finden Interessierte unter www.ampergarten.info .

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