Süddeutsche Zeitung

Selbstkritik:"Wir haben die rechten Themen zu wenig gespielt"

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Nach dem Wahldebakel der CSU beklagt Landrat Stefan Löwl, dass die Union ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik zu spät geändert habe

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Wenn die Bundestagswahl am Sonntag eine Wahl gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel war, dann könnte sie in Fürstenfeldbruck und Dachau auch eine gegen Gerda Hasselfeldt gewesen sein. Immerhin gilt Hasselfeldt als Merkels enge Weggefährtin, war CSU-Landesgruppenchefin und Dachauer Wahlkreisabgeordnete, auch wenn sie nicht mehr für den Bundestag kandidiert hat. Der Dachauer CSU-Kreisvorsitzende Bernhard Seidenath widerspricht: "Im Gegenteil! Gerda Hasselfeldt war es, die der Bundeskanzlerin immer wieder die Positionen der CSU vermittelt hat. Sie hat die Entfernung der Kanzlerin vom konservativen Lager abgemildert."

CSU-Landrat Stefan Löwl berichtet von ständigen Gesprächen zwischen Gerda Hasselfeldt und dem Bundeskanzleramt, auch mit Angela Merkel, "in der sie die Perspektive der Kommunen nahezubringen versuchte". Er, Löwl, habe bei Gesprächen bayerischer Landräte mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier von der CDU feststellen müssen, dass die Probleme der Kommunen nicht wirklich beachtet worden seien. Löwl meint damit vor allem "die Sorge, dass die Hilfsbereitschaft nicht unbegrenzt" sei. Altlandrat Hansjörg Christmann wünschte sich gerade bei den Koalitionsverhandlungen, die sich vermutlich sehr schwierig gestalten würden, eine Stimme der Vernunft, wie sie Gerda Hasselfeldt darstelle.

Alle drei CSU-Politiker sind der Ansicht, dass das Ergebnis im Landkreis Dachau, das die AfD beinahe zur zweitstärksten politischen Kraft hochgespült hätte, so wenige Tage nach der Wahl noch nicht eingehend analysiert werden könne. Dazu brauche es Zeit und Gespräche. Die Ergebnisse in den einzelnen Gemeinden ließen keine Rückschlüsse zu. Allenfalls könne man vermuten, dass in Gemeinden wie Haimhausen oder Karlsfeld und auch Dachau die Neigung, FDP zu wählen und sich von der CSU abzuwenden, deren wirtschaftlichen Bedeutung und eher liberal-konservativen Prägung entspreche, sagt Landrat Löwl. Dass die AfD auch in wirtschaftlich boomenden Gemeinden der Westallianz (Bergkirchen oder Odelzhausen) so erfolgreich war, führt Löwl darauf zurück, dass die Gemeinden unabhängig von ihren Gewerbegebieten entlang der Autobahn 8 "ländlich-konservativ" geprägt seien. Allerdings habe er während der vergangenen Wochen feststellen müssen, dass auch im Landkreis sowohl eine Pro-Merkel- als auch Anti-Merkel-Stimmung innerhalb der CSU geherrscht habe.

Der CSU-Kreisvorsitzende Seidenath entgegnet, dass er die Frage nach den widersprüchlichen innerparteilichen Strömungen "zum aktuellen Stand nicht seriös beantworten" könne. Gehört habe er "von einigen Seiten von Konservativen, die von der Politik der Bundeskanzlerin enttäuscht" gewesen seien. Es habe geheißen: "Wegen der Kanzlerin kann ich die CSU nicht mehr wählen. AfD will ich nicht wählen. Deshalb wähle ich FDP." Es habe sicherlich auch Menschen gegeben, die der CSU wegen der Politik der Bundeskanzlerin ihre Stimme gegeben hätten. Aber: "Zahlenmäßig war die erste Gruppe, die sich wegen der Politik der Kanzlerin von der CSU abgewandt hat, ganz offenbar größer." Nach dem aktuellen Stand der Wahlforschung haben sich ungefähr eine Million Wähler von CSU und CDU abgewandt und für die AfD gestimmt.

Ist die CSU im Landkreis also eine innerlich zerrissene Partei? "Nein", sagt Landrat Löwl. "Die CSU ist noch die einzige Volkspartei in Deutschland." Eine Partei, die sich allerdings Kritik gefallen lassen müsse: "Wir haben die rechten Themen zu wenig gespielt." Der CSU sei es viel zu spät gelungen, sich mit ihrer Haltung zu Asyl- und Flüchtlingspolitik in Berlin durchzusetzen. So habe sie es sich selbst zuschreiben, dass ihr "Rattenfänger" Wähler abgenommen hätten.

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SZ vom 27.09.2017
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