Süddeutsche Zeitung

Neubauprojekte:Umstrittene Verdichtung

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Mitten in Schwabhausen entstehen zwei massive Gebäudekomplexe, die einige Gemeinderäte und Nachbarn sehr kritisch sehen. Sie halten die Neubauprojekte für überdimensioniert

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Kein Frage: bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. Wer in Städten wie etwa München oder in deren Einzugsbereich nach einer für Durchschnittsverdiener erschwinglichen Wohnung sucht, muss in Zeiten, in denen schon für ein WG-Zimmer 600 bis 800 Euro verlangt werden, großes Glück haben, um erfolgreich zu sein. In der Diskussion um mögliche Lösungen wird sehr oft mit der nötigen "Innenraumverdichtung" in den Kommunen argumentiert, mit der man einerseits Wohnraum schaffen, andererseits aber auch die Ausweisung immer neuer Baugebiete und die weitere großflächige Bodenversiegelung einschränken will.

In Schwabhausen ist derzeit zu besichtigen, wie kompliziert die Dinge auch dort sind, wo tatsächlich noch freie "Innenräume" für eine Bebauung zur Verfügung stehen. In zwei Bereichen, einmal an der Münchner Straße und dann auch an der Arnbacher Straße, entstehen große Gebäudekomplexe - und sorgen für durchaus gemischte Reaktionen in der Bevölkerung. Während der Planungsphase für die vier massiven Baukörper, die an der Münchner Straße entstehen werden, gab es Kritik sowohl aus den Reihen der Gemeinderäte wie der Bürger. Die Gebäude, in denen Wohnungen und Geschäftsräume geplant sind, hätten negative Auswirkungen auf das Ortsbild wie auch auf das Verkehrsgeschehen im Zentrum, hieß es. Wegen der befürchteten erheblichen Beschattung der Nachbargebäude wurden die Pläne zuletzt noch etwas reduziert. Einer der Kritiker der Baumaßnahme, der ehemalige Gemeinderat Heinrich Loderer, sprach von einer "Zumutung, mitten im Ort ein so gewaltiges Vorhaben zu planen". Anders sahen dies das Landratsamt Dachau und die Regierung von Oberbayern, die an der geplanten Dichte der Bebauung nichts auszusetzen hatten.

An der Arnbacher Straße sollen schräg gegenüber vom Pfarrhaus zwei große Wohngebäude errichtet werden.Auch hier gibt es eine Reihe kritischer Stimmen, insbesondere solche der betroffenen Nachbarn. Für Ärger sorgt hier nicht nur die Massivität der beiden Baukörper, die auf einem 2000 Quadratmeter großen Grundstück entstehen sollen, und der knappe, künftig trotz Tiefgarage wohl immer zugeparkte Straßenraum, sondern jetzt auch ein Tekturantrag des Bauherren. Dieser wollte nachträglich die Genehmigung für den Bau von Balkonen im zweiten Obergeschoß auf Erkeranbauten an den Schmalseiten der Häuser bekommen, nachdem ihm der Einbau von Dachgauben bereits untersagt worden war. Zwar wurde der Tekturantrag in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses abgelehnt, die Nachbarn aber fürchten, dass noch nicht das letzte Wort gesprochen sein könnte. Weitere Anträge könnten vielleicht in "Scheibchentaktik" hinterhergeschoben werden. Auch Architekt und Stadtplaner Georg Hillreiner, Schwabhausener CSU-Gemeinderat und Mitglied im Bauausschuss, hält das für möglich. Bürgermeister Josef Baumgartner (FW) bestätigt, dass dann, wenn das Landratsamt Dachau keine baurechtlichen Probleme für die gewünschten Balkone sieht und beispielsweise die vorgeschriebenen Abstände zur Nachbarbebauung eingehalten sind, die Sache an den Bauausschuss zur erneuten Behandlung zurückverwiesen werden könnte. Baumgartner sagt aber auch, dass ein Tekturantrag eigentlich eine "ganz normale Sache" sei und er die Aufregung über die Angelegenheit nicht ganz verstehe. Ohnehin könne er sich nicht über geltendes Baurecht hinwegsetzen. Bürgermeister könnten im Fall von nicht rechtskonformen Entscheidungen selbst dann noch schadensrechtlich belangt werden, wenn sie nicht mehr im Amt seien - und darauf habe er "wirklich keine Lust".

Was den Nachbarn der beiden geplanten Wohngebäude in besonderer Weise zu denken gibt, ist der Umstand, dass die Wohnungen auch nach der negativen Entscheidung des Bauausschusses noch mit den Balkonen im zweiten Obergeschoß beworben werden. Sie fürchten, dass für "große" Bauherren andere Regeln gelten könnten als für den einfachen "Häuslebauer", der sich oft schwer tue, nachträgliche bauliche Änderungen genehmigt zu bekommen. Ohnehin sei das Projekt "ein Rieseneingriff für die Leute, die hier - zumeist in Einfamilienhäusern - wohnen", sagt eine Anwohnerin. Für eine solche Veränderung ihres Lebensraums seien "die Menschen nicht offen."

Georg Hillreiner versteht solche Argumente. Schon im Zusammenhang mit den Plänen für die Münchner Straße hat er sich gegen die geplante Dichte der Bebauung zu wehren versucht. "Ich bin dagegen, dass man so absolut verdichtet", sagt der Architekt: "Irgendwann ist einfach das Ende der Fahnenstange erreicht - man muss Mittelwege finden."

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Quelle:
SZ vom 22.10.2018
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