Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Doppelgänger unterwegs

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Auf der Wiesn sollen heuer spezielle Polizisten Vebrecher im Getümmel identifizieren. Doch für diesen Job ist nicht jeder geeignet.

Kolumne von Thomas Radlmaier

Jeder kennt diese Situation: Man läuft irgendwo zufällig einem Menschen über den Weg und denkt sich: Den kenn ich doch. Aber manchmal ist man sich unsicher, ob es sich bei der Person wirklich um den- oder diejenige handelt, von dem oder der man meint, er oder sie sei es. Also was tun? Ansprechen oder lieber nicht? Letztens also auf dem Weg zur Arbeit saß man im Citybus. Und man hätte schwören können, dass an einer Station der Freund der Freundin von der Freundin zustieg. Also setzt man zu einem "Servus" an, kommt aber nicht über das Luftholen hinaus, weil der vermeintlich Bekannte einfach an einem vorübergeht. Man fühlt sich in so einer Situation ziemlich bescheuert und hofft, das einen niemand beobachtet hat.

Jedenfalls ist das der Beweis, dass nicht jeder zum sogenannten "Super-Recogniser" geboren ist. So heißen die speziellen Polizisten, die dieses Jahr erstmals bei der Wiesn im Einsatz sind. Sie können Personen im Getümmel besser identifizieren als jede elektronische Gesichtserkennungssoftware. Die Münchner Polizei testete 5300 Beamte, von denen letztlich 37 Superhirne übrig blieben. Sie werden nun als "Super-Recogniser" ununterbrochen die Visagen der Wiesnbesucher beobachten und Verbrecher wie zum Beispiel Taschendiebe jagen. Einem solchen Super-Gesichtserkennungs-Polizisten passieren peinliche Situationen wie im Citybus sicher nicht.

Doch es gibt auch die andere Seite. Denn als man andertags auf dem Weg zur Arbeit im Regionalzug nach Dachau sitzt, wundert man sich, warum einen die Frau gegenüber die ganze Zeit anschaut. Man fragt sich, ob man irgendetwas im Gesicht hat? Kurz vor Dachau fasst sich die Frau schließlich eine Herz und geht auf einen zu. "Grüß dich", sagt sie und verstummt plötzlich: "Oh mein Gott, Sie sehen genauso aus wie der Freund meiner Nichte." Da kommt man doch ins Nachdenken: Es heißt ja, dass jeder Mensch irgendwo auf der Welt einen Zwilling habe. Was passiert eigentlich, wenn beide am gleichen Tag auf die Wiesn gehen? Da kann man nur hoffen, dass der andere nichts anstellt.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2018
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