Süddeutsche Zeitung

Volksfest Indersdorf:Bahn frei zum Driften

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Das Indersdorfer Volksfest eröffnet mit 14 Beschickern. Rund 2500 Gäste finden in Festzelt und Biergarten Platz. Dort wo zuletzt das Corona-Testzentrum stand, kann man sich nun wieder im "Black-Out" durchrütteln lassen.

Von Jessica Schober, Markt Indersdorf

Die Autoscooter von Florian Diebold können jetzt driften. Das ist insofern eine Neuigkeit, weil der Augsburger in seinem Fahrgeschäft bislang keine Wagen im Angebot hatte, die auf Knopfdruck des Chefs übersteuern konnten. Es ist aber auch eine ganz passende Metapher, weil das Driften - also das schwer steuerbare Dahinrutschen des Hecks - ganz gut den Modus beschreibt, in dem sich viele Schausteller von Volksfesten durch die vergangenen Jahre manövriert haben. Sie sind durchgeschlingert und freuen sich nun riesig, dass sie wieder in der Spur sind - und wieder Volksfeste stattfinden.

"Nach drei Jahren sind wir endlich wieder in Indersdorf - da habe ich Gänsehaut", sagt Florian Diebold, der aus einer Autoscooter-Dynastie stammt. In sechster Generation betreibt er das Fahrgeschäft, der Name seines Opas Edmund Diebold steht noch groß in pinken Lettern auf der gelben Rückwand seiner buntblinkenden Anlage, auf der die Scooter nur so dahin sausen - und nun eben auch driften. Diebolds Urgroßvater betrieb einst ein Karussell, das im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges verbrannte. Florian Diebold hatte just 2019 in 18 neue driftende Scooter investiert - und dann fuhr ihm die Pandemie in die Parade. "Das war finanziell heftig", sagt Diebold. Noch im Sommer 2020 habe er gedacht, das sei es nun gewesen mit der Schaustellertradition in seiner Familie. Doch inzwischen hat er neuen Mut gefasst, seitdem die diesjährige Saison in Bad Göggingen gut gestartet ist. Er sieht, wie die Menschen wieder auf die Festplätze strömen, wie sie einfach wieder feiern wollen, leichtfüßig, lachend, vergnügt. "Das Erlebnis Volksfest lässt sich nicht digitalisieren. Da muss man einfach vor Ort dabei sein."

Gemeinsam mit seiner Frau Alice und den beiden vier- und sechsjährigen Kindern lebt Diebold in einem Wohnwagen hinter den Kulissen des Indersdorfer Volksfests. "Auf engstem Raum hat man alles, was man braucht: Fernsehen, Dusche, Internet." Zwischen Ostern und Oktober lebt die Familie in diesem Reisemodus auf rund 40 Quadratmetern. Wenn Sohn Toni im Herbst in die Schule kommt, wird er bei seiner Oma in Augsburg bleiben. Als durch Corona von einem Tag auf den anderen die Geschäftsgrundlage der Familie zusammenbrach, stieg Alice Diebold, die einer Düsseldorfer Autoscooter-Dynastie entstammt, schnell auf ihren gelernten Job als Bürokauffrau um. "Die ganze Anlage ist nichts wert, wenn keine Volksfeste stattfinden", sagt Florian Diebold, der sich in dieser Zeit auf Reparaturarbeiten verlegte.

Die rund 4000 Leuchten, die die Fahrbahn umsäumen, hat er von Hand gegen LED-Lampen ausgetauscht. Überhaupt alles an diesem ersten Indersdorfer Volksfesttag scheint zu leuchten und zu blitzen vor Sauberkeit. Am Wellenflieger, dem Kettenkarussell in der Mitte des Festplatzes, werden noch die Sitze gewienert, die Fahrbahn für die Autoscooter frisch gewischt. Und auch das Blackout - ein Fahrgeschäft für alle, die es mögen, in 20 Metern Höhe kopfüber durchgerüttelt zu werden - steht strahlend in der Sonne.

Neu auf dem Volksfest sind heuer das Kinderkarussell "Zauberschloss" und ein Stand fürs Bogenschießen. Auch die Betreiber des Festzeltes haben gewechselt. Festwirt Peter Brandl ist im Landkreis bekannt vom Karlsfelder Siedlerfest. Die Familie Brandl bewirtet nun rund 2500 Gäste in einem überdachten Biergarten und dem Festzelt. Das Bier kommt weiterhin vom Kapplerbräu, die Mass kostet 9,30 Euro. Einige Tage seien schon ausreserviert, erzählt Wirtstochter Julia Baehr, gelernte Restaurantfachfrau, die auch die Münchner Knödelalm betreibt. Sie trägt Dirndl mit Turnschuh, dazu baumelt eine Kette mit einem Bierkruganhänger um ihren Hals, auf einer Brosche hingegen ist zu lesen: "Team Prosecco". Baehr schmunzelt, sie freut sich sichtlich, dass es endlich wieder losgeht.

"Wir hatten vor drei Jahren schon die ersten Ankernägel für das Festzelt hier in Indersdorf in den Boden geschlagen, als die Absage wegen Corona kam", erinnert sich Baehr. Auch Diebold weiß noch, dass er sich erstmal "hinsetzen musste", als er erfuhr, dass das Volksfest Indersdorf 2020 ausfallen würde, "das ging schon in die Magengrube". Was viele Schausteller nun nach der Pandemie eint, ist die verzweifelte Suche nach Personal. Diebold bräuchte eigentlich noch zwei weitere Kräfte. Und auch einige Mitarbeiter von Marianne Sennefelder sind weggefallen, haben sich umorientiert. Das hat sie ausgerechnet im Jahr ihres Dienstjubiläums zum Umdenken gebracht.

Gebrannte Nüsse, Mandeln, Fruchtspieße und in Schokolade getauchtes Obst macht Sennefelder selber. Die obligatorischen Lebkuchenherzen zum Vatertag gibt es auch an ihrem Stand, in dem ihr Mann gerade mit flüssiger weißer Schokolade ein Zick-Zack-Muster auf dunkelschokoliertes Obst wirft. Den Imbiss, den Sennefelder sonst immer neben ihrem Süßwarenladen betrieb, hat sie heuer abgegeben. Zu viel Arbeit war es ihr geworden. Oder wie Sennefelder sagt: "Ich muss ja nicht die Reichste auf dem Friedhof sein." Der Humor und die Liebe zu den Menschen aber haben dafür gesorgt, dass die Dachauerin mit ihrem Mann zusammen diesen anstrengenden Job seit drei Jahrzehnten macht. Und die Treue der Kunden. Eine Dame, erzählt Sennefelder, bringe ihr jedes Jahr einen Strauß Maiglöckchen aufs Volksfest. Als die Kundin erfuhr, dass Sennefelder den Imbiss nicht mehr betreiben würde, brachte sie ihr Sträußlein eigens nach Langenpettenbach. "So etwas berührt die Seele." Das Indersdorfer Volksfest kann nun endlich beginnen. Sennefelder sagt: "Nach 30 Jahren im Geschäft erschüttert dich nichts mehr. Da nimmst du das Wetter, wie es kommt und die Leute, wie sie sind."

Höhepunkte im Programm des Indersdorfer Volksfestes werden an diesem Samstag, 21. Mai, die Fetzentaler sein, am Freitag, 27. Mai, die Blechblosn, Ois Easy am darauf folgenden Samstag und die Cubaboarische Tradicional. Dazu gibt es am Samstag, 21. Mai, wieder einen Senioren-, und am Mittwoch, 25. Mai , einen Kindernachmittag mit ermäßigten Preisen. Ein Oldtimer-Reigen mit alten Traktoren, ist am Sonntag, 29. Mai, zu sehen, wenn die Bulldogfreunde ihr 25-jähriges Bestehen feiern. Um 9 Uhr treffen Fahrer und Fahrzeuge ein, nach dem Weißwurstfrühstück hält der bekannte Pfarrer Rainer Maria Schießler aus München um 11 Uhr einen Gottesdienst mit Fahrzeugweihe ab. Um 15 Uhr steht noch eine Verlosung an, deren Hauptpreis ein alter Bulldog ist.

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