Süddeutsche Zeitung

Lesunf:Wie wahr

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Jörg Maurer und eine parodistische Lesung des neuen Kriminalromans über die erste Geiselnahme im Nachkriegsdeutschland

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Ein Kriminal-Schriftsteller, der aus der Kabarettszene kommt, Sprachwitz und parodistisches Talent der Extraklasse mitbringt und dazu auch noch das Zeug zum bühnenreifen Zauberer hat: Für eine amüsante Autorenlesung sind das natürlich die besten Voraussetzungen. Konkret geht es dabei um Jörg Maurer: Er eröffnete am Samstag das Herbstprogramm der Kabarettbühne im Gasthof Post in Schwabhausen mit einer Lesung aus seinem jüngsten sogenannten Alpenkrimi. Es ist der mittlerweile achte, seitdem 2009 der erste Band "Föhnlage" mit dem inzwischen Kult gewordenen Kommissar Jennerwein erschienen ist.

Der gebürtige Garmischer Jörg Maurer hat in früheren Jahren sehr erfolgreich Musikkabarett gemacht, an verschiedenen Kleinkunst- und Theaterbühnen eigene Projekte realisiert und zuletzt auch mit "Jörg Maurers Unterton" eine eigene Kabarettbühne in München betrieben. Dann hat er für sich die Schriftstellerei entdeckt und lässt den Kommissar Jennerwein Jahr für Jahr in einem neuen Fall ermitteln. "Nur der Tod ist schwindelfrei" heißt der neueste Band von Maurer, und darin geht es - der Titel deutet es schon an - um Höhenflüge unterschiedlichster Art. "Schwindelfrei" ist in dem Roman nur wenig. Und nur sehr wenige der Protagonisten sind es. Und der Tod, ja, der gehört zum Kriminalroman ganz einfach dazu, wenngleich er in anderen Büchern des Genres nicht immer so fantasievoll daherkommt wie bei Jörg Maurer.

Für seine Lesung in Schwabhausen wählte Jörg Maurer Passagen aus, in denen sich skurrile Typen und schräge, eigenwillige, auch zwielichtige Charaktere mal bei einem Ballonflug, mal im Mafia-Milieu oder nur scheinbar ganz harmlos in einem Kurpark begegnen. Geschickt brach Autor Maurer natürlich immer genau dort ab, wo es am spannendsten wird: Wer also wissen wollte, wie es weitergeht, musste nach der Veranstaltung - strategisch gut gesetzt, am Büchertisch im Gasthof Post von Heinrich Kellerer zugreifen.

Vor allem aber wird in einer Maurer-Lesung keineswegs nur vorgetragen: Denn der Schriftsteller brillierte mit parodistischen Einschüben, die zwar mit dem Inhalt des Buches nichts zu tun haben, dafür aber höchst unterhaltsam sind. Er dichtete "Wandrers Nachtlied" von Goethe vom Hochdeutschen in verschiedene Dialekte um und verfremdete auch den Inhalt passend zur jeweiligen Seelenlage der Dialektsprecher. Ebenso köstlich passte er den Blick aus dem Heißluftballon, um den es in seinem neuen Krimi geht, dem verschiedener österreichischer Schriftsteller an: Der Skeptiker und Melancholiker Thomas Bernhard beispielsweise stellt dabei fest, "wie abgrundtief hässlich Österreich doch ist", während der Meister der Konkreten Poesie, Ernst Jandl, bei seiner Schilderung der Ballonfahrt mit wunderbar dadaistischer Lautmalerei auskommt.

Jörg Maurer will unterhalten, und das gelang ihm nicht nur mit der geschickten Auswahl der vorgetragenen Textstellen und mit parodistischen Einlagen sondern auch mit seinem Talent, vor den Augen der Zuschauer Dinge entstehen zu lassen, die realiter gar nicht vorhanden sind. So erscheint da plötzlich, nur durch einen halb über die Schulter gehängten Mantel, ein zweiter Mann auf der Bühne, mit dem sich Mauerer in ein lebhaftes pantomimisches Zwiegespräch einlässt. Mit Sicherheit kein ganz neuer Trick - aber einer, den das Publikum in Schwabhausen mit höchstem Vergnügen verfolgt.

Den Einstieg ins Buch bildete übrigens ein ganz reales Szenario: das des ersten großen Bankraubversuchs mit Geiselnahme in Deutschland, der sich 1971 in der Münchner Prinzregenstraße abgespielt hat. Tausende Zuschauer hatten damals auf der Straße das dramatische Geschehen verfolgt, bei dem es zuletzt zwei Tote gab. Unter den Zuschauern war auch der CSU-Politiker und spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß gewesen: Er saß gleich gegenüber im Gasthaus "Käfer", von wo aus auch er einen guten Blick hatte. Jörg Maurer schwörte den Zuhörern: "Das ist keine Erfindung. - So etwas kann man gar nicht erfinden."

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SZ vom 26.09.2016
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