Süddeutsche Zeitung

Kunstkreis Karlsfeld:Der Reiz des Mysteriösen

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Liz Schinzler zeigt ihre Werke in der Galerie Kunstwerkstatt

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Als Künstlerin wurde Liz Schinzler ganz schön auf die Probe gestellt. Dreimal musste sie ihre Ausstellung schon verschieben, immer wieder machten ihr die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Jetzt hat es endlich geklappt, und es wurde auch höchste Zeit. Die in München geborene Künstlerin, die schon seit 20 Jahren im oberbayerischen Raum ausstellt, hat in diesem Jahr gleich mehrere Jubiläen zu feiern: Seit zehn Jahren ist sie Mitglied im Kunstkreis Karlsfeld und im November steht ihr 60. Geburtstag an. Da muss man mal wieder raus aus dem Atelier und ins Licht der Öffentlichkeit. Es gibt ja inzwischen auch wieder einiges zu zeigen. Der Großteil der jetzt ausgestellten Bilder ist während der Pandemie entstanden, in "mentaler Diät", wie Schinzler es ausdrückt. Das heißt: Abstöpseln vom medialen Corona-Dauerbeschuss, Austoben in der Kunst. "Ich habe versucht, alles rauszulassen, auch das Negative."

Der Titel der Ausstellung "auf den 2. Blick" deutet schon an, dass sich der Betrachter mit Schinzlers Bildern etwas Zeit nehmen sollte. "Bei allen Bilder erkennt man erst auf den zweiten Blick, was drinsteckt", sagt die Künstlerin. Das ist jede Menge, sowohl an Ideen, als auch an Motiven, Perspektiven und Darstellungsformen. Die Künstlerin bewegt sich bevorzugt in den Grenzbereichen von Fotografie und Malerei, von Realismus und Abstraktion, von winzigem Detail bis zur großen Geste der allumfassenden Impression. Oft bearbeitet sie Fotografien mit dem Pinsel nach, bis ihr Ursprung nur mehr zu erahnen ist. Sie übermalt auch alte Bilder, die ihr nicht mehr zusagen. Von einem einstigen Aktgemälde sind nur mehr schemenhafte Rundungen zu erkennen, kaum leserliche kalligrafische Schriftzüge verschwinden im Farbendunst. Dass die Bilder sich nie restlos durchdringen und entziffern lassen und unter all den Darstellungs- und Bedeutungsebenen immer ein mysteriöser unaufschließbarer Kern übrig bleibt, gehört zum Reiz dieser Arbeiten.

Nicht immer verschmelzen Malerei und Fotografie bei ihr, bisweilen stehen sie auch einfach nebeneinander. Dabei foppt Schinzler den Betrachter gerne durch die unkonventionelle Wahl der Motive. Die Wasserspiegelung einer rostroten Regentonne könnte glatt als abstraktes Gemälde durchgehen, was natürlich auch daran liegt, dass die Künstlerin den Bildausschnitt so geschickt wählt, dass man zuerst weder Tonne noch Wasser sieht, sondern nur Farben und Formen. Das funktioniert auch umgekehrt bei Nahaufnahmen, mit denen Schinzler auf einem Panel die Formenvielfalt der Natur en détail dokumentiert. Die schaut höchst abstrakt aus, geradezu hypermodern, ist aber auf den zweiten Blick genau das Gegenteil: Knospen, Rispen, Dornen - gegenständliche Natur 1.0. Man könnte sich daran sogar sehr konkret piksen.

Manchmal kommt zur malerischen fotografischen Ebene eine plastische dazu, etwa wenn Schinzler das Bild einer traditionellen Thüringer Ziegelsteinmauer nachträglich mit echtem Zement verfugt oder den Farben von Landschaftsbildern Sand und Asche beimengt, die sie von ihren Reisen mitbringt. Das gibt ihren Bildern nicht nur eine interessante Struktur, sondern es mengt der künstlerischen Darstellung auch einige Körnchen physischer Wirklichkeit bei. Man könnte sich in diesem Spiegellabyrinth der Metaebenen aufs Unterhaltsamste verlaufen, aber Liz Schinzler versteht ihre Kunst nicht als intellektuellen Hindernisparcours. Ihr Zugang zur Kunst ist intuitiv und spontan, nicht theoretisch. Es geht ihr um ein verinnerlichtes Sehen, das sie mit anderen teilen möchte. "Ich hoffe, dass die Energie, die ich in die Bilder hineinstecke, auch auf den Betrachter übergeht."

"Auf den 2.Blick". Arbeiten aus Malerei und Fotografie von Liz Schinzler in der Galerie Kunstwerkstatt Karlsfeld, Drosselanger 7. Öffnungszeiten: Samstag/Sonntag, 12./13. Juni, und 19./20. Juni, 14 bis 18 Uhr, Donnerstag/Freitag, 17./18. Juni, 15 bis 18 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung unter 0157 / 52 34 50 67 oder per Mail an L.Schinzler@kunstkreis-karlsfeld.de.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2021
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