Süddeutsche Zeitung

Kulturkneipe Haimhausen:Die mit dem Rentier tanzt

Lesezeit: 2 min

In Tuija Komis Jazz stecken thematisch wie musikalisch Einflüsse aus der alten und neuen Welt. Höchst reizvoll ist das Zusammenspiel der finnischen Sängerin mit ihren Instrumentalisten

Von Renate Zauscher, Haimhausen

Fast hätte man meinen können, in einem kleinen New Yorker Club im East Village zu sitzen: Nur wenige Stuhlreihen, davor eine winzige Bühne, die kaum genug Platz bietet für die Männer an Piano, Bass und Schlagzeug und für die Sängerin, die ein stark vom amerikanischen Jazz beeinflusstes Programm mitgebracht hat. Bei genauerem Hinschauen und Hinhören ist dann doch alles ein wenig anders. Haimhausen ist nicht New York und die Kulturkneipe kann es dann doch nicht so ganz mit der Atmosphäre eines dortigen Jazzclubs aufnehmen. Die Instrumentalisten tragen überdies deutsche Namen, und die aus Finnland stammende und in München lebende Sängerin Tuija Komi, die am Samstag in Haimhausen zu Gast war, hat ihr Programm nicht zufällig "Music From The Land Of The Midnight Sun" genannt: In Komis Jazz stecken thematisch wie musikalisch nicht nur Einflüsse aus der neuen Welt - sondern auch ganz viele aus der alten. Sprachlich ist Tuija Komi diesseits wie jenseits des Atlantiks zu Hause: Sie singt mal finnisch, mal schwedisch und erst im zweiten Teil des Abends überwiegend englisch.

Ins Land der Mitternachtssonne holt Tuija Komi ihre Zuhörer in einer Eigenkomposition mit der Begeisterung eines Menschen, der dieses Land selber kennt und liebt und es von München aus immer wieder besucht. Und wenn sie dann das Lied von Pippi Langstrumpf singt, entstehen vor dem inneren Auge ihrer Zuhörer schwedische Wiesen, Seen und Wälder. Idylle pur also, bei der der Zauber des Songs mit seiner fast kindlich einfachen Melodie dann aber plötzlich eine andere, fast südamerikanisch anmutende Klangfarbe annimmt: Auch solche überraschenden Wendungen finden sich in den von Komi und ihren Musikern arrangierten Songs immer wieder.

Höchst reizvoll ist das Zusammenspiel von Tuija Komis schöner, modulationsfähiger Stimme und den sie begleitenden Instrumentalisten. Immer wieder tritt die Sängerin zurück, schafft Raum für Stephan Weiser am Piano, Peter Cudek am Bass und Martin Kolb an den Drums. So beginnt etwa "Gabriellas Song" aus dem Film "Wie im Himmel" mit einem zarten, sich langsam entwickelnden Duett zwischen Schlagzeuger und Bassist, in welches das Piano zögernd einfällt. Martin Kolb nutzt dabei das ganze Klangspektrum seines Instruments, streichelt die Drums mit dem Besen, touchiert leicht die Becken, baut zusammen mit den Kollegen am Piano und am Bass ein geheimnisvoll anmutendes Klanggespinst, in das hinein sich die Gesangspassagen fügen.

Die Instrumentalisten haben bei Komi die Freiheit, viel zu improvisieren: "Wir können hier viel gestalten", sagt Stephan Weiser, "weil wir uns aufeinander verlassen können, aufeinander hören und mit einander kommunizieren." Mal ist es, wie in Stevie Wonders schöner Ballade "You and I", das Piano, das zum wichtigsten Gesprächspartner der Gesangsstimme wird, mal das Schlagzeug von Martin Kolb, oder der Bass von Peter Cudek, der ein Solo auch schon mal mit einer Nonsense-Vokaluntermalung anreichert. Dem Publikum ist bewusst, dass es hier exzellente Instrumentalisten vor sich hat: Immer wieder reagiert es mit begeistertem Zwischenapplaus für eine Solo-Einlage.

Im zweiten Teil des Abends dreht Tuija Komi noch mal richtig auf. Erst mit dem Song "Thank you for the Musik" von ABBA, dann, noch jazziger, mit einem Song mit dem Titel "It's too late" von Carole King. Komis Stimme nimmt hier eine geradezu schwarze Klangfarbe an - etwas, was selbst dem Publikum bei einer Session mit "Open Mike" in einem Harlemer Jazzclub aufgefallen ist.

Mit "tanzenden Rentieren" und dem beschwingten "Don't you worry about a thing" von Stevie Wonder geht der Abend dann zu Ende. Zuletzt bewegt sich Tuija Komi barfuß auf und vor der Bühne der Kulturkneipe und swingt mit den Melodien mit: Ihr hat der Abend ganz offensichtlich ebenso viel Spaß gemacht wie ihrem Publikum.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2019
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