Süddeutsche Zeitung

Karlsfelder Ortszentrum:Von wegen neue Mitte

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Nach dem Ausstieg des ursprünglichen Investors haben sich die Planungen für das Karlsfelder Ortszentrum stark verändert - sehr zum Missfallen der Bürger. Bei einem Erörterungstermin hagelt es massive Kritik.

Gregor Schiegl

"Wir sind jahrelang gefragt worden, was wir wollen. Und die Gemeinde macht einfach weiter so wie bisher!", schimpft Erika Seidenspinner. Sie ist nicht die Einzige, die ihrem Zorn über den neuen Bebauungsplan der Neuen Mitte im Rathaus Luft macht. Zwei Stunden dauert die Aussprache auf dem Erörterungstermin. Aber in keiner einzigen Wortmeldung klingt einmal so etwas wie Lob an. Nur Klagen gibt es über Lärm, Dreck, Verkehr und am Rande auch über die "Duplo-Bauweise" des geplanten Ortszentrums. Ein Rentner fühlt sich gar an eine Militärkaserne erinnert: "Beängstigend." Dabei ist man noch gar nicht soweit, dass man über solche Details wie Fassadengestaltung streiten könnte.

Über das große Ganze allerdings schon.

Die Neue Mitte. Das waren einmal große und kleine Geschäfte, Cafés, eine Bücherei, am Rande auch ein paar Wohnhäuser und in der Mitte ein schöner Platz, der den Karlsfeldern als Treffpunkt dienen sollte. Die Vision des Investors HIH fanden die meisten - bei aller Kritik im Detail - doch ganz gut. Aber das Hamburger Unternehmen hat sich an dem Projekt finanziell verhoben. Nun gibt es neue Investoren. "Auch die Planungsvorstellungen haben sich verändert und die Rahmenbedingungen des Marktes", erläutert Architekt Dietmar Sandler, der das Projekt nur für die Gemeinde planungsrechtlich beurteilt. "Die Nachfrage nach zentralen Wohnbauflächen hat sich verstärkt." Nun sind weniger Gewerbe- dafür mehr Wohnflächen eingeplant. Das Grundkonzept sei das gleiche.

Aber es wurde eben doch so viel verändert, dass man nicht einfach den Bebauungsplan ändern konnte. Es beginnt ein völlig neues Verfahren: Die Träger öffentlicher Belange werden gehört - und eben auch die Bürger. Der stellvertretenden Bauamtsleiterin Simone Hotzan obliegt es, die teils vernichtende Kritik an dem Bauvorhaben mit tapferer Freundlichkeit zu notieren, um sie später "an die Entscheidungsträger" weiterzuleiten, sprich die Gemeinderäte, von denen sich an diesem Abend übrigens kein einziger blicken lässt.

Wenn der zentrale Platz für Autos befahrbar sei, habe sie die Sorge, dass das ein einziger Parkplatz werde, sagt Marion Matura-Schwarz. "Das ist dann auch keine Freude mehr, sich da hinzusetzen." Mehrere Bürger monieren, dass der Platz in der neuen Planung sowieso arg klein geraten sei - nur noch halb so groß sei wie der Marktplatz an der Rathausstraße. Da könne man von einer "Neuen Mitte" eigentlich gar nicht mehr reden, meint einer.

Jochen Seyboth stört sich auch am achtgeschossigen Wohnhaus, das als "Akzentuierung" (Sandler) der Neuen Mitte dienen soll. Der Turm verschatte den Platz von 11 bis 18 Uhr. "Ich finde das sehr fragwürdig." Stadler weist diese Behauptung als falsch zurück. Die Berechnungen zeigten, dass das Gebäude allenfalls Teile des Platzes verschatte. "Wieso überhaupt ein achtstöckiges Gebäude?", fragt TSV-Präsident Toni Cremers. "Die Bevölkerung findet das nicht gut." Beifall von allen Seiten.

Nach der Stellplatzsatzung der Gemeinde müssten Bauherren für jede Wohneinheit zwei Parkplätze vorhalten, sagt Birgit Piroué. In der Neuen Mitte betrage der Schlüssel aber gerade mal 1,1. "Ich sehe das als ganz großes Problem." Wenn die Stellplätze in der Neuen Mitte nicht reichen, werde die Nachbarschaft zugeparkt. "Ich kann das nachvollziehen", sagt Sandler, bringt gegen Piroués Bedenken aber ein Gutachten in Stellung, wonach dieser geringere Schlüssel hier ausnahmsweise doch ausreichen werde.

Planungsrechtlich ist das einwandfrei argumentiert, aber es kollidiert mit den Erfahrungswerten der Karlsfelder. "Irgendwie biegt ihr euch das immer hin, wie ihr's braucht", schimpft Anlieger Manfred Pfeifer. Jetzt gebe es "zehnmal mehr Wohnen", aber keinen einzigen Parkplatz zusätzlich. "Das ist für die Investoren geplant, nicht für die Bürger!" Applaus. Wolfgang Seehaus echauffiert sich lautstark, dass die Achse der Rathausstraße nicht durch die Neue Mitte fortgesetzt wird: "Das ist ja wohl ein Witz!" Und ein anderer Bürger fragt, ob es denn überhaupt ein Gesamtkonzept für diese Neue Mitte gebe, die wie eine Insel anscheinend bezugslos mitten in die Gemeinde gesetzt werde. Simone Hotzan verteidigt die Planung: "Wir müssen immer schauen: Was ist sinnvoll? Und: Was ist machbar?"

Noch bis Freitag, 1. März, können Bürger zum Bebauungsplan schriftliche Stellungnahmen im Bauamt der Gemeinde Karlsfeld abgeben.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2013
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