Süddeutsche Zeitung

Briefe mit Geld veschwunden:Post geht Klagen über Diebstähle nach

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Dreimal ist Geld verschwunden, das Rudolf Hofner und seine Frau mit Glückwunschkarten im Kuvert verschickt haben. Anscheinend sind sie nicht die einzigen Opfer.

Von Julia Putzger, Karlsfeld

Die drei Briefumschläge, die Rudolf Hofner und seine Frau Brigitte versenden, sind schlicht und weiß. Die beiden Rentner schicken sie Ende März an zwei verschiedenen Tagen in der Postfiliale Nummer 458, einer kleinen Station im Edeka in Karlsfeld an der Wögerwiese, auf ihren Weg nach Süden: Einer ist an den Enkel adressiert, der in Innsbruck studiert, zwei weitere an Tochter und Enkelin in Garmisch-Partenkirchen. Darin sind Glückwunschkarten, mit denen die Hofners zu Festtagen gratulieren wollen. Die Briefe kommen pünktlich an, doch die Freude darüber ist getrübt: Die Geldscheine, die Rudolf Hofner und seine Frau im Inneren der Karten mit einem schmalen Stück Tesafilm festgeklebt haben, fehlen. Einer der offensichtlich geöffneten Umschläge wurde nachträglich mit Klebeband wieder verschlossen. Man kann verstehen, wenn Rudolf Hofner sich darüber ärgert.

Ihm geht es allerdings weniger um das verlorene Geld - 130 Euro waren insgesamt in den Briefen - als darum, auf den Fall aufmerksam zu machen und andere zu warnen. "Das Geld habe ich schon abgeschrieben", sagt er, "aber es ist schon auffällig, dass es bei allen Briefen so war." Er gibt zu bedenken, dass es anderen ebenso ergangen sein könnte, die daraufhin aber nichts unternommen hätten. Denn von einem weiteren Fall weiß er: Ein Brief, den die Schwiegermutter der Tochter Ende März in einen Briefkasten in Karlsfeld in der Ostenstraße eingeworfen hatte, kam ebenfalls ohne Geld ans Ziel.

Die Post ist alarmiert

"Das klingt alles sehr konkret und macht uns natürlich hellhörig", sagt Erwin Nier, Pressesprecher der Deutschen Post, bei einem ersten Gespräch mit der SZ Dachau. Er versichert, den Vorfällen nachzugehen und den zuständigen Gebietsleiter zu informieren. Zwei Tage später meldet er sich mit ersten Ergebnissen der Nachforschungen: Wenn ein Fahrer einen Briefkasten leert, muss er dabei einen Code im Inneren des Kastens scannen, auch beim Abholen aufgegebener Sendungen in einer Filiale gibt es dieses Prozedere. "Dabei gab es keine Auffälligkeiten und auch keine Abweichungen bei den Zeiten." Es könne also zum Beispiel nicht sein, dass ein "Unhold" sich eine Viertelstunde Zeit genommen habe, um die Briefe durchzugehen, erklärt Nier weiter. Die Kollegen, die Ende März als Leerer und Fahrer in Karlsfeld unterwegs waren, wurden auch befragt - allerdings ohne Erfolg. Nier berichtet aber, dass sich aufgrund der sehr konkreten Vorwürfe nun die hauseigene Security eingeschaltet habe, die die Sache mit weiteren Mitteln aufklären wolle.

Nachdem Rudolf und Brigitte Hofner erfahren hatten, dass ihre Briefe alle ohne Geld angekommen waren, wandten sie sich umgehend an die Polizei, um Anzeige zu erstatten. Doch dort wartete die nächste Enttäuschung: Die Erfolgsaussichten, den Täter zu finden seien sehr gering. Aufnehmen wollten die Beamten die Anzeige dann auch nicht - die beiden Über-80-Jährigen sollten das Online-Formular benutzen. Da sie keinen Computer besitzen, hat dies mittlerweile die Tochter aus Garmisch für sie übernommen.

"Wenn da groß draufsteht 'An das liebe Geburtstagskind', dann ist das fast ein Freifahrtsschein, der einen Spitzbub verführt"

Für den entstandenen Schaden aufkommen muss die Post nicht: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht ausdrücklich, dass Sendungen, die Geld enthalten, von der Beförderung ausgeschlossen sind. Einzige Ausnahme ist der Service "Wert National", früher als sogenannter Wertbrief bekannt. Gegen einen Aufpreis von 4,30 Euro zum Porto ist so ein versicherter Versand von bis zu 100 Euro Bargeld oder Wertgegenständen im Wert von bis zu 500 Euro möglich. Pressesprecher Nier weiß trotzdem: "Es wird immer wieder Menschen geben, die Geld im normalen Brief versenden. Aber genauso wird es eben leider immer wieder Menschen geben, die die Finger nicht davon lassen können." Rudolf Hofner entgegnet dem: "Wenn es möglich war, haben wir unsere Glückwünsche natürlich immer persönlich überbracht. Aber in den vergangenen Jahren haben wir auch immer wieder solche Karten verschickt - bisher hatten wir keine Probleme."

Besonders anfällig für Diebstähle sind laut Nier offensichtlich adressierte Umschläge: "Wenn da groß draufsteht 'An das liebe Geburtstagskind', dann ist das fast ein Freifahrtsschein, der einen Spitzbub verführt." Auch besonders edle Umschläge könnten ungewollte Aufmerksamkeit erregen. "Von außen war da nichts zu erkennen. Man hätte nur vielleicht erfühlen können, dass der Inhalt eine Glückwunschkarte ist, weil der Brief etwas steifer war", erinnert sich Rudolf Hofner an die drei Briefe, die er und seine Frau verschickt haben - dass sich Geld darin befinden könnte, sei eigentlich nicht offensichtlich gewesen.

Sollte sich durch die Nachforschungen tatsächlich herausstellen, dass es sich um Diebstahl durch einen Mitarbeiter der Post handelt, hätte das weitreichende Konsequenzen: "Wenn der Täter überführt wird, ist er die längste Zeit Mitarbeiter der Post gewesen", versichert Nier. Sollte es sich um einen Vertragspartner der Post handeln, würde dieser seinen Vertrag verlieren und angezeigt werden. Alle rechtlichen Mittel würden in jedem Fall ausgeschöpft werden. Nier verweist aber auch noch auf andere Möglichkeiten, wohin das Geld verschwunden sein könnte: Dickere Briefe würden häufiger beschädigt und landeten dann zur Nachverpackung in einer Zentrale in Marburg in Hessen. Nier habe entsprechend interner Vorschriften dort bereits eine Anfrage gestellt. Außerdem erinnert er sich an einen Fall vor ein paar Jahren: Eine senile Seniorin hatte die Geldscheine einfach in ein falsches Kuvert gesteckt, das sie dann ein paar Wochen später bei sich zuhause wiederfand. "Das alles ist in diesem Fall aber unwahrscheinlich", gibt Nier zu und versichert: "Wir werden auf jeden Fall Licht ins Dunkel bringen und diese Sache aufklären."

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Quelle:
SZ vom 15.04.2020
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