Süddeutsche Zeitung

Gemeindehaushalt:Karlsfeld kommt ins Schleudern

Lesezeit: 3 min

Die Corona-Pandemie hat ein Loch von knapp zwei Millionen Euro in den Haushalt gerissen. Jetzt muss die ohnehin stark verschuldete Gemeinde weitere Kredite aufnehmen - allein schon für den laufenden Betrieb

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Ein Loch von 1,92 Millionen Euro hat die Corona-Pandemie bis jetzt in den Karlsfelder Haushalt gerissen. "Aber das kann sich alles noch ändern, etwa wenn ein neuer Lockdown angeordnet wird", erklärt Kämmerer Alfred Giesinger. Das Jahr habe schließlich noch drei Monate und die Zahl der Infizierten steige stetig. Normalerweise müsste Karlsfeld mit so einem großen Defizit sofort einen Nachtragshaushalt beschließen. Doch die Regierung hat die Bestimmungen gelockert. Gespräche mit der Aufsichtsbehörde, dem Landratsamt Dachau, stehen nun an. Es wird um die Aufnahme eines Kredites für die laufenden Geschäfte gehen. "Normalerweise dürfen Kommunen nur Kredite für Investitionen aufnehmen", sagt Giesinger. Doch die Corona-Krise hat die Situation verändert und damit auch die Möglichkeiten. Man will und muss den laufenden Betrieb gewährleisten.

Schuld am Haushaltsloch sind unter anderem die deutlich geringeren Einnahmen bei der Einkommenssteuer. Eine Schätzung Mitte September geht von einem Minus von 1,45 Millionen Euro aus. Außerdem rechnet man mit 1,98 Millionen Euro weniger Gewerbesteuern. Giesinger hatte dieses Jahr sogar mit neun Millionen Euro gerechnet, statt der üblichen sechs bis sieben Millionen, da die ersten beiden Monate in der Wirtschaft besonders gut liefen. Doch es kam anders. Und das macht den Kämmerer bei Prognosen umso vorsichtiger.

Gewerbesteuerrückzahlungen aus vergangenen Jahren von etwa 430 000 Euro muss die Gemeinde heuer leisten. Natürlich wird auch Karlsfeld eine Kompensation von der Regierung bekommen. Giesinger rechnet mit etwa 1,4 Millionen Euro. Aber wie hoch sie am Ende wirklich sein wird, "das wird man erst kurz vor Weihnachten sehen", sagt er. Der Kämmerer hat Zweifel, ob der Topf von 2,4 Milliarden Euro für alle Kommunen überhaupt reicht. Was den Karlsfeldern dieses Jahr besonders zugute kommt, sind die hohen Bodenpreise. Grund- und Grunderwerbssteuer mildern das Minus um 300 000 Euro. Die coronabedingten Absagen von großen Veranstaltungen wie dem Siedlerfest, Mini-Karlsfeld oder dem Christkindlmarkt sparten Ausgaben von 100 000 Euro.

"Das Jahr ist finanziell eine große Herausforderung und man kann jetzt schon festhalten, dass 2021 noch schwieriger sein wird", sagt Finanzreferent Stefan Theil (CSU) bei der Vorstellung dieser Zahlen im Gemeinderat. Dennoch ist er überzeugt: "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen." Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) habe große Disziplin bei den Beschaffungen walten lassen. 900 000 Euro konnten so eingespart werden. "Jede Rechnung ist auf den Prüfstand gekommen. Das Jahr über wurde nur das Allernötigste ausgegeben. Das hat das Defizit möglichst klein gehalten", sagt Theil. "2020 hätte schlimmer sein können."

Gespart hat die Gemeinde übrigens auch an Personalkosten - allerdings wohl eher unfreiwillig. Karlsfeld hat seit geraumer Zeit Schwierigkeiten, Fachkräfte für das Rathaus und vor allem für die Kinderbetreuung zu finden. 500 000 Euro wurden so bislang nicht ausgegeben.

Ein weiterer Kredit bedeutet noch höhere Schulden, als die klamme Gemeinde ohnehin schon hat: Geplant war, heuer elf Millionen Euro für den Bau der Grundschule an der Krenmoosstraße aufzunehmen, doch nun werden es wohl fast 13 Millionen Euro werden. Und das ist nur der Blick auf dieses Jahr. Ende 2019 hatte die Gemeinde bereits Schulden in Höhe von fast 14 Millionen Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung lag damals bereits 100 Euro über dem Landesdurchschnitt, so der Kämmerer. Dennoch freuten sich die Gemeinderäte über die Jahresrechnung 2019. "Es ist das letzte halbwegs normale Jahr", sagt Franz Trinkl (SPD).

Zwar hatte Karlsfeld auch 2019 weniger Einnahmen als geplant, aber die Gewerbesteuer war nur um 350 000 Euro geringer ausgefallen, und die Einkommenssteuer differierte sogar nur um rund 140 000 Euro. Insgesamt erwirtschaftete die Gemeinde sogar ein Plus von 3,46 Millionen Euro. "Ein erfreulicher Trend", sagte Finanzreferent Theil und lobte die konservative Finanzplanung. Doch Trinkl trübte die Freude: "Das ist nur gelungen, weil wir Kindergartenplätze nicht zur Verfügung stellen konnten. Das Geld haben wir also nur durch Familien erwirtschaftet, die das ausgleichen mussten." Laut Kämmerer habe man vor allem an Kindertagesstätten 800 000 Euro gespart. Denn wegen Personalmangels konnte eine Gruppe nicht eröffnet werden. Insgesamt hat man eine Million Euro weniger für Personal ausgegeben als geplant, da auch einige Stellen in der Verwaltung nicht besetzt werden konnten. Das wiederum zog geringere laufende Kosten nach sich. Denn mancher Gebäudeunterhalt musste verschoben werden, da nicht genügend Mitarbeiter im Rathaus waren, die die Maßnahmen hätten ausschreiben können. Diese Einsparungen sind nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Die Schulden, die Karlsfeld 2019 und auch in diesem Jahr aufgenommen hat beziehungsweise noch aufnehmen wird, seien unumgänglich. Insoweit ist man sich auch einig. Die Schule ist dringend nötig. Ende 2020 wird der Schuldenberg auf 27 Millionen Euro angewachsen sein. Dieser resultiert fast ausschließlich aus dem Schulneubau, der insgesamt 39 Millionen Euro kosten wird. Knapp 23 Millionen sind laut Kämmerer bereits bezahlt. 16 Millionen Euro würden in den nächsten zwölf Monaten noch fällig werden. Der Freistaat beteiligt sich an dem Projekt mit 15,34 Millionen Euro. Den Rest muss die Gemeinde aufbringen. Im September nächsten Jahres soll das Haus öffnen. Laut Giesinger liegen die Arbeiten "voll im Zeitplan".

Kopfschmerzen bereitet Finanzreferent Theil schon jetzt der Haushalt für 2021. "Wir kommen in sehr unruhiges Fahrwasser. Umso wichtiger ist es, mit angezogener Handbremse in die Beratungen zu gehen." Auf dem Prüfstand würden vor allem die freiwilligen Leistungen stehen.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2020
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