Süddeutsche Zeitung

Jubiläum der Gemeinde Vierkirchen:Noch einmal alles Gute

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1979 feierten die Vierkirchner ein rauschendes Fest. Der Anlass: Die Gemeinde wurde damals 1200 Jahre alt. Dachten zumindest alle. Jetzt ist klar, dass die Party 41 Jahre zu früh über die Bühne ging

Von Julia Putzger, Vierkirchen

Vor 41 Jahren, im Sommer 1979, stieg in Vierkirchen ein rauschendes Fest. Der heutige Bürgermeister der Gemeinde, Harald Dirlenbach (SPD), war zwar damals nicht mit von der Partie, doch aus Erzählungen weiß er: "Da wurde richtig exzessiv gefeiert und sehr viel konsumiert - das war fast wie ein Volksfest." Die Rede ist vom Geburtstagsfest der kleinen Gemeinde, die damals ihre Gründung vor 1200 Jahren feierte. Doch nun haben neue Nachforschungen in historischen Dokumenten ergeben: Das Geburtstagsfest war verfrüht. Denn eigentlich dürfte die Gemeinde erst heuer das 1200-jährige Bestehen feiern.

Wenn es um Gemeindegeburtstage geht, ist stets das Datum der erstmaligen schriftlichen Erwähnung von Bedeutung. Für die meisten Orte im Landkreis sind dafür Urkunden der Freisinger Bischofskirche ausschlaggebend, die sogenannten Freisinger Traditionen. Dank moderner Technik kann man die von Theodor Bitterauf 1905 übersetzten und zusammengefassten Schriftstücke heute auch in digitaler Form einsehen. Der Ortsname "Feotkirha", der in etwa "Kirche aus Fichtenholz" oder "Kirchen bei den Fichten" bedeutet und aus dem sich später der Gemeindename Vierkirchen ableitete, taucht in den Freisinger Traditionen aber nicht im Jahr 779, sondern erst 820 erstmals auf.

In diesem Jahr fand am 15. April unter dem Vorsitz des Freisinger Bischofs Hitto eine Versammlung in "Feotkirha" statt. Es ging um eine Besitzübergabe an die Freisinger Domkirche, 27 Zeugen, die in Dokumenten namentlich aufgeführt werden, waren ebenfalls vor Ort. All die Gäste lassen darauf schließen, dass Vierkirchen zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt und gut erreichbar gewesen sein muss. Das wiederum zeigt, dass die Ersterwähnung nicht mit der generellen Existenz des Ortes gleichzusetzen ist. "Man baut ja keine Kirche ohne eine Gemeinde", stellt Dirlenbach fest. "Vierkirchen ist mit Sicherheit schon älter", bestätigt Heimatforscher Bernhard Weber, der gemeinsam mit Helmut Größ an der Geschichte der Gemeinde forscht. Nur ließe sich das nicht genau nachweisen, weshalb man sich im Allgemeinen auf die erstmalige Namensnennung stütze. Dank archäologischer Funde ist aber beispielsweise bekannt, dass der Raum zwischen Amper und Glonn südwestlich von Freising schon zur Bronzezeit, etwa 1500 Jahre vor Christus, besiedelt war.

Warum nun aber feierten die Vierkirchner 1979 so ausgelassen den Geburtstag ihrer Gemeinde, wenn es doch dafür gar keinen Grund gab? Heimatforscher Weber führt das auf eine Party im Jahr 1779 zurück: Der damalige Pfarrer Johann Georg Gröbmaier feierte in diesem Jahr nämlich gleich zwei Feste, sein 50-jähriges Priesterjubiläum und die Einweihung der nach ihrem Einsturz neu erbauten Pfarrkirche St. Jakobus. "Die 1000 Jahre wurden dann eben so hingebogen", erklärt Weber. Auf dieser Feier basierten das 1100-jährige und 1200-jährige Jubiläum der Gemeinde.

Bernhard Weber forscht seit 2014 in seiner Freizeit an der Geschichte seiner Heimatgemeinde. Dazu arbeitet sich der ehemalige Gymnasiallehrer für Geschichte, Deutsch und Sozialkunde systematisch durch die historischen Aufzeichnungen - ungefähr 30 bis 40 Einträge gibt es zum Beispiel in den Freisinger Traditionen für jedes Jahr. "Meistens geht es um Tauschhandel, Schenkungen oder anderen Versammlungen, bei denen der Bischof dabei war", erklärt Weber. Schon vor zwei oder drei Jahren hätten er und sein Kollege Helmut Größ die Entdeckung der falschen Jubiläen gemacht. Wirklich auf die Sache aufmerksam wurde Bürgermeister Dirlenbach aber erst im vergangenen Jahr, als der Ortsteil Pasenbach - früher eine eigenständige Gemeinde - sein 1200-jähriges Jubiläum feierte: "Da haben wir uns dann doch gefragt, ob es sein kann, dass Vierkirchen so viel älter ist und festgestellt, dass sich keine wirkliche Angabe für 779 finden lässt." Dirlenbach glaubt, dass die Forschungsergebnisse schwer an die Vierkirchner zu vermitteln seien, beschwichtigt aber, da sich am Leben in der Gemeinde dadurch natürlich überhaupt nichts ändere. "Das hat schlussendlich keine Auswirkungen für uns."

Dirlenbach war im ersten Moment erstaunt über die neusten Forschungsergebnisse. Er berichtet, dass man sich in der Gemeinde zwar geeinigt habe, die Angaben entsprechend zu korrigieren - für kommende Feste wolle man aber trotzdem am Jahr 779 als Referenz festhalten. "Wir gehen davon aus, dass beides richtig ist", sagt er. Unabhängig von der derzeitigen Lage rund um die Coronakrise sei also heuer kein neuerliches Fest zu Ehren des 1200. Geburtstags der Gemeinde geplant. "Es wäre doch sehr komisch, wenn wir einfach noch einmal feiern würden."

In neun Jahren, 2029, hält Dirlenbach ein Fest zum 1250. Jahrestag Vierkirchens aber für denkbar. "Ob ein Jubiläum heute aber noch im Rahmen eines Volksfests wie damals gefeiert wird, das weiß ich nicht." Möglich seien stattdessen zum Beispiel mehrere Veranstaltungen im Laufe des ganzen Jahres und ein paar Hauptattraktionen an einem Wochenende. Heimatforscher Weber ergänzt, dass zum neuen, offiziellen Geburtstag am 15. April ursprünglich eine kleine Veranstaltung samt Präsentation der Ergebnisse im Rathaus geplant gewesen sei. Diese musste aber wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden.

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SZ vom 20.04.2020
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