Süddeutsche Zeitung

Mitten im Kreistag:Total abgebrezelt

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Der Landkreis spart, und auch die Kreisrätinnen und Kreisräte müssen den Gürtel enger schnallen. Das Gratis-Gebäck in den Sitzungen ist abgeschafft.

Glosse von Jacqueline Lang, Dachau

Seit ein paar Jahren schon begleitet man als Journalistin die Ausschusssitzungen der Kreisrätinnen und Kreisräte. Meistens kommen sie dafür am Freitag zusammen, gleich in der Früh um 8.30 Uhr. Nun hatte für ein paar Monate eine Kollegin die Berichterstattung übernommen. Das frühe Aufstehen, um pünktlich im Sitzungssaal zu sitzen, fällt daher jetzt noch ein bisschen schwer. Für ein Frühstück hat die Zeit nicht mehr gereicht. Aber macht ja nichts, werden die Kommunalpolitikerinnen und -politiker sowie hungrige Pressevertreterinnen doch immer mit Butterbrezen und - auf besonderen Wunsch von Landrat Stefan Löwl (CSU) - auch immer mal wieder Rosinenschnecken versorgt. Schwerwiegende Entscheidungen trifft man besser mit etwas im Magen.

Aber huch? Die Kaffeekannen sind noch an ihrem Platz, aber der Tisch, auf dem bislang immer eine große Schale mit Backwaren stand, ist leer. Nicht mal mehr die Schüssel mit Schokoriegeln und Bonbons gibt es noch. Auf Nachfrage erfährt man, dass sich die Gremiumsmitglieder schon seit ein paar Sitzungen ihre Semmeln selbst mitbringen müssen und tatsächlich: Wie Schulkinder holen sie einer nach dem anderen ihre Tüten vom Bäcker aus der Aktentasche.

Wer also nach einem Beweis dafür gesucht hat, wie ernst es dem Landkreis mit seinem Sparkurs in Zeiten knapper Kassen ist, der findet ihn in diesem Saal: Hier werden nicht nur Zuschüsse aller Art mir nichts, dir nichts gestrichen und liebgewonnene Projekte per Handzeichen dem Erdboden gleich gemacht, hier wird auch vor dem eigenen Leib und Wohl nicht haltgemacht. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Tasse Kaffee der Vergangenheit angehört.

Doch Spaß beiseite: Die Kreisrätinnen und Kreisräte ringen seit Wochen, ja Monaten, darum, was verzichtbar ist oder sein muss, einfach weil man sich selbst jene Dinge, die man eigentlich für wichtig erachtet, nicht länger leisten kann. Zu viele Aufgaben, zu wenig Geld, so lautet am Ende die bittere Wahrheit. Nur ob ein paar Brezen den Unterschied machen? Das weiß man nicht - hofft aber doch sehr, dass der knurrende Magen für etwas gut ist.

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