Süddeutsche Zeitung

Dachau:Zuagsperrt is

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Im Landkreis Dachau geht das Wirtshaussterben weiter: Jetzt ist auch für die legendäre Post in Ampermoching Schluss.

Rudi Kanamüller

Aus is, vorbei is: Das Wirtshaussterben im Landkreis Dachau geht munter weiter und nimmt kein Ende. Jetzt ist auch für die einstige Kultgaststätte im Landkreis, der "legendary Post of Ampermoching" die letzte Messe gelesen. "Kein Anschluss unter dieser Nummer", lässt die monoton klingende automatische Ansage den Anrufer wissen, will man die Post in Ampermoching telefonisch erreichen. Und in dem Haus wird, wie ein Mitarbeiter der Gemeinde Hebertshausen zur Dachauer SZ sagte, "vermutlich auch kein Wirtshaus mehr eröffnen".

So wird die Kneipe, in der in den 1980-er Jahren Bands wie Die Alternativen Arschlöcher, ZSD oder Kondom ein junges, wildes Punk-Publikum begeisterte und die Alteingesessenen Ampermochinger die Augen verdrehen ließen, nur noch den Zeitungsarchiven oder in der 1980 gedrehten Punk-Doku von Karl Bruckmaier und Wolfgang Ettlich "Die Post geht ab in Ampermoching" weiterleben und in Erinnerung bleiben. Wie der legendäre Auftritt der Band Lorenz Lorenz. Der nahm, so ist überliefert, seinerzeit einen dermaßen spontan-chaotisch-anarchistischen Verlauf, als einige Besucher auf die Idee kamen und aus dem Schlachthof Tüten voller Kuhaugen holten und diese mit Tennisschlägern ins Publikum pfefferten. "Punk eben", wie seinerzeit die SZ-Jugendseite lakonisch anmerkte.

Das Schicksal der ehemaligen Punker-Kneipe, teilen heute die Trachtler. So ist der Trachtenverein Glonntaler Petershausen seit kurzem heimatlos. Und die Suche nach einer neuen Heimat gestaltet sich schwerer als gedacht. Das Vereinslokal Schmiedwirt in Petershausen ist vorerst geschlossen. Zuagsperrt is. Der langjährige Wirt Reiner Pfündl mag nicht mehr. Ein neuer Pächter wird gesucht. Ob einer gefunden wird?

Die Entwicklung verfolgt auch der Kreisvorsitzende des Dachauer Hotel- und Gaststättenverbandes, der Bergkirchener Gastronom Michael Groß. Er sagt allerdings, dass das Thema Wirtshaussterben in Bayern "längst vollzogen" sei. Viele ursprünglich bayerische Wirtschaften würden heute von Italienern, Griechen, Kroaten oder Asiaten betrieben. Gründe sieht Groß in der nachlassenden Bereitschaft vor allem von jüngeren Familienmitgliedern, im Betrieb ihrer Eltern mitzuarbeiten: "Die Jungen gehen weg, sie wollen nicht mehr." Außerdem könne man das Geschäftsmodell eines Wirtshauses nicht so einfach auf ein anderes übertragen. Groß: "Was bei dem einen funktioniert, das geht bei einem anderen noch lange nicht." Zum Führen einer Gaststätte, sagt Groß, brauche man vor allem auch ein gutes Händchen, oder wie der Bayer sagt, "a guads Handal". Über Erfolg oder Misserfolg entscheide zudem, wie man sich gegenüber dem Gast verhalte. Und der muss sich wohlfühlen. Groß: "Es ist halt ein Unterschied, ob ich am Stammtisch hocke und aufstehen und gehen kann, wenn ich will, oder ob ich als Wirt warten muss, bis die Stammtischbrüder gehen wollen." Von außen, so sagt er, sieht das alles leichter aus, als es ist. Vielleicht liegt eine Ursache für den Niedergang von Gasthäusern auch darin, dass heute jeder, der will, nach einem Tageskurs ein Wirtshaus aufmachen kann.

Blühende Wirtshauslandschaften - das war einmal. Der Niedergang bayerischer Wirtshauskultur ist besonders in der Dachauer Altstadt anschaulich zu begutachten, wo es für Gasthäuser generell schwer geworden ist, geschäftlich zu überleben. Die Gründe, sagen Wirte, lägen auf der Hand: geringe Besucherfrequenz und steigende Kosten. Die letzten Opfer dieser Entwicklung waren zwei traditionsreiche Dachauer Gasthäuser. So der Burgler im Unterbräu und das Bräustüberl, ehemals Zieglerkeller auf dem Schlossberg. Beide gehören seit nun schon über zwei Jahren der Vergangenheit an. Ein Zurück in die Zukunft scheint es nicht zu geben. Der Gastronom, der beide Lokalitäten betrieb, hat den Glauben an die Überlebensfähigkeit der Dachauer Altstadt verloren. Viel probiert, nix passiert.

Bereits seit dem Jahre 2002, also seit nun schon neun Jahren, steht das Gebäude des denkmalgeschützten und stadtbildprägenden Gasthofes Hörhammerbräu leer. Er befindet sich im Besitz der Münchner Salvator Grundbesitz GmbH. Und an dem Zustand, so heißt es, werde sich so schnell auch nichts ändern. Zum Nachteil Dachaus. Obwohl hinter den Kulissen alles Menschenmögliche getan wurde, um den Hörhammerbräu wirtschaftlich wiederzubeleben. Wie ein Klotz am Bein wirken dabei die Auflagen des Denkmalschutzes. Und das barocke Dachwerk ist dem Denkmalamt heilig. Es darf - egal, welche Nutzung auch angestrebt wird - in seinem historischen Bestand nicht beeinträchtigt werden. Das gesamte Dach des Hörhammerbräu und ein Großteil des Mauerwerks reichen in die Entstehungszeit des Gebäudes zwischen 1740 und 1770 zurück.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2011
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