Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Na dann prost!

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Es gibt viele Ernährungsmythen. An den wenigsten ist etwas dran. So ein Kräuterschnaps zur Verdauung kann nach Unmengen an Raclettekäse aber trotzdem nicht schaden. Oder?

Glosse von Jacqueline Lang

An Weihnachten, zwischen den Jahren und an Silvester wird geschlemmt, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Schweinsbraten von Oma ist ja auch so unfassbar lecker, und die Knödel von Papa erst! Man macht sich also irgendwann gar nicht mehr die Mühe, vom Esstisch aufzustehen, sondern bleibt einfach sitzen und schaufelt rein, was geht. Die Plätzchen von Tante Erna will man schließlich nicht als Altlast mit ins neue Jahr nehmen. Und die gute Nachricht ist: Zu welcher Tageszeit man die vielen Kalorien zu sich nimmt, ist völlig egal.

Gerade an Silvester gibt es aber gerne nach dem Drei-Gänge-Menü zu späterer Stunde noch einen Mitternachtssnack - das viele Feiern macht schließlich hungrig. Und das wird dann leider doch zum Problem: "Die Kohlenhydrate, die wir mit einer Mahlzeit zu uns nehmen, aktivieren die Ausschüttung von Insulin. Insulin hemmt jedoch den Fettabbau", sagt Ingrid Pawellek, Diplom-Ökotrophologin und Ernährungsberaterin am Helios Klinikum München West. Wenn wir also wenig schlafen und immer wieder an etwas Knabbern, werden die Stunden, in der der Körper Zeit zur Fettmobilisierung hat, immer kürzer. Und leider werden die Raclettekäsekalorien nicht einmal dann schneller verdaut, wenn man doch irgendwann ins Bett fällt.

Und damit immer noch nicht genug der schlechten Nachrichten: Nicht einmal Schnaps hilft, die Verdauung anzuregen. Sogar das Gegenteil sei der Fall, so Pawellek: "Anstatt die Verdauung anzuregen, wirkt sich ein Schnaps nach dem Essen eher negativ auf unsere Verdauung aus." Statt die Berge an Mousse au chocolat zu verdauen, die man gerade vertilgt hat, ist der Körper nun damit beschäftigt, den Alkohol abzubauen. Die Verdauung muss also warten und das Essen liegt länger schwer im Magen als gewollt.

Wer aufgrund von liebgewonnenen Traditionen trotzdem nicht auf ein Schnäpschen verzichten möchte, der sollte es mit einem Kräuterlikör probieren. Der kann den menschlichen Verdauungsapparat mitunter nämlich tatsächlich unterstützen. Das liegt laut Pawellek aber weniger am Alkohol, als vielmehr an den enthaltenen Kräutern. Die Ernährungsexpertin rät trotzdem dazu, lieber mit Kräutern wie Kümmel, Lorbeer, Bohnenkraut oder Fenchel zu kochen, statt sich einen Averna hinter die Birne zu kippen.

Aber mei, irgendwie muss man ja auf das neue Jahr anstoßen - und ein, zwei, drei oder zwölf Gläschen werden schon nicht schaden.

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