Süddeutsche Zeitung

Im Thoma-Haus:Eine große, glückliche Musik-Familie

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Das Plug & Play präsentiert sich in alter Stärke. Elf Bands spielen am Samstagabend vor 550 Gästen. Die genießen den rasanten Wechsel und tanzen sich durch die Genres.

Von Alexandra Vettori, Dachau

An der Wand hinter der Bühne tickt die Zeit, werden die Sekunden in Großziffern herunter gezählt. 1111 Sekunden, 18 Minuten, hat jede Band für ihren Auftritt, elf Gruppen treten auf. Musik in Häppchen-Format, das ist Plug & Play, heuer zum 16. Mal. Das Publikum freut sich an der Vielfalt, tanzt auf Rock, wiegt auf Blues, tänzelt auf Folk, dicht gedrängt. Am Ende sind es 550 Gäste im fast ausverkauften Ludwig-Thoma-Haus.

"Wir waren vor Corona die Letzten und die Ersten nach Corona, Plug & Play ist nur ein einziges Mal ausgefallen", erzählt Organisator Rainer Rackl zwischen zwei Moderationen. 500 Sekunden habe er jetzt Zeit, nach dem nächsten Gig könne man fortfahren. Am Konzept hat sich nichts geändert: "Uns ist wichtig, so bunt wie möglich zu sein, mit möglichst vielen Genres. Und es ist uns wichtig, Dachauer Bands eine Bühne zu bieten." Der Erlös wird wie immer gespendet.

Voriges Jahr kamen nur 150 Gäste

Schon vergangenes Jahr, noch unter Corona-Bedingungen, fand das Plug & Play statt, wenn auch nur mit 150 Gästen und kleinerem Band-Spektrum. Jetzt sagt Rackl: "Wir sind super-zufrieden". Damit seien die Veranstalter nicht allein, "ich bin heute schon öfter umarmt worden".

Das zweite Markenzeichen des Konzerts sieht man im Foyer vor dem Saal: Es wird geratscht und begrüßt, ein dichter Wortteppich liegt über dem Raum, überdeckt fast die Musik aus dem Saal. Man kennt sich und ist augenscheinlich glücklich, sich mal wieder zu sehen. "Es ist, als würde man seine Familie wieder treffen", sagt Carola Eichhorn lächelnd. Die Dachauerin ist regelmäßig beim Plug & Play, der musikalischen Vielfalt wegen. Dann muss sie weiter, das nächste bekannte Gesicht ist in der Menge aufgetaucht.

Drinnen hat Rainer Rackl gerade Rolling Suitcase anmoderiert, das Quartett legt los mit Coversongs aus Rock und Folk. Das Publikum wechselt leichtfüßig von den irischen Weisen von T4U, Rackls Band im übrigen, zu erdigem Rock. Wer wann spielt, wird kurz vor Beginn ausgelost. Headliner soll es keine geben. "Es ist bewusst kein Wettbewerb. Wir hatten mal einen final Act, das haben wir dann aber gelassen, es soll ein Miteinander sein. Und deswegen kommen am Schluss auch alle Bands auf die Bühne und singen ein Lied", erklärt Rackl.

Umbaupausen gibt es nicht, die einen gehen, die anderen kommen, während Rackl moderiert. Auf der einen Bühne sind zwei Bühnen eingerichtet, sie werden im Wechsel bespielt. Karl Heinz Berninger vom Kult-Team, einem weiteren Dachauer Festival, hilft beim Plug & Play. Gefragt nach dem reibungslosen Wechsel grinst er: "Das wird seit Freitag geprobt. Zwei Schlagzeuge und Mikros sind fest installiert, die Bands müssen nur ihre Instrumente einstöpseln und, falls sie die haben, besondere Elemente." Das sei das Tolle an der digitalen Musiktechnik, "der Soundcheck ist schon abgespeichert".

Auf Schräges in bayerischer Mundart folgen Rock-Klassiker

Im Saal haben Die Schönen und das Biest die Bühne verlassen, auf schrägen Sound in bayerischer Mundart folgt Dame Bube Krass, ein Duo, das gekonnt Big-Band-Sound verbreitet. Das Publikum spendet frenetischen Beifall. Auch die Kikis, zwei Musikerinnen die Rock-Klassiker interpretieren, lassen den Saal kochen, bei "Smoke on the water" singen alle mit.

Vor dem Thoma-Haus stehen rauchende Menschen, Gelegenheit, dem Plug & Play-Geist nachzuspüren. Hier ist auch Ronja Tölzer, 22, sie spielt in der Dachauer Band Gschwerl , ist auch schon mal beim Plug & Play aufgetreten: "Ich mag die Abwechslung. Wenn einem die Musik grad nicht so gefällt, geht man raus und ratscht. Man kennt immer jemanden und trifft immer neue Leute und kann super neue Kontakte knüpfen."

Steht Vielfalt auch ganz oben, der Altersdurchschnitt weist eine leichte Schieflage auf. Es dominieren die Mittelalten. Rackl findet das schade: "Wir wollen ja auch eine Bühne für Newcomer bieten. Aber es kommt nicht wirklich viel nach." Wie um seine Worte zu widerlegen, stehen da zwei Burschen und ein Mädchen vor ihm, alle 16 Jahre alt. Sie erkundigen sich, wie man teilnehmen könne, sie haben eine Band. Super finden sie es hier, sind zum ersten Mal da. Klar, mehr Junge wären gut, da müsse man vielleicht gezielter an Schulen werben, meinen sie.

Beim Finale rückt die Plug & Play-Familie dann nochmal ganz eng zusammen. Im Vorjahr stimmte man melancholisch "Imagine" von John Lennon an, heuer klingt es eine Spur heiterer: "Don't worry, be happy".

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