Süddeutsche Zeitung

Kunst überall in Dachau:An diesen öffentlichen Plätzen stehen jetzt Kunstwerke

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Eine Sprungschanze aus Holz, Schnecken, die Elefanten fressen und dramatische Szenen im Linienbus: Die Ausstellung "Raus" wartet mit einigen Überraschungen auf.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Im August gehört die Stadt Dachau der Kunst. Zu ihrem 100. Geburtstag präsentiert die Künstlervereinigung Dachau (KVD) im Stadtgebiet unterschiedliche künstlerische Arbeiten - von der bereits jetzt kontrovers diskutierten 40-Meter-Holzsprungschanze "Haltungsnote" von Christian Engelmann über Margot Krottenthalers künstlerische Holzmarterl - genannt MyArterl - bis hin zu Veronika Veits mausgrauen Betonbunker mit Sichtfenster, der sich unscheinbar am Rande des Unteren Markts versteckt. Insgesamt stellen 18 KVD- und 15 Gastkünstler aus.

Mit dieser Freiluftausstellung zeigt der zeitgenössische Dachauer Künstlerverbund nicht nur die bunte Vielfalt seiner Kreativen, sondern setzt auch einen historischen Querverweis. Unter dem Titel "Raus" transferiert die KVD die Tradition der Künstlerkolonie in die heutige Zeit und führt sie mit den Mitteln der zeitgenössischen Kunst fort: Anfang des 20. Jahrhunderts, als Dachau als blühende Künstlerkolonie, als südliches Pendant zu Worpswede bekannt war, packten die Künstler Staffelei und Picknickkörbe und begaben sich raus ins Dachauer Moos, um in unmittelbarer Naturerfahrung ihre Bilder zu malen.

100 Jahre später bedeutet "Raus" etwas anderes: Die Künstler gehen mit ihren Werken nach draußen und setzen sich mit der gestalteten Umgebung des Stadtraums auseinander. Zu dem Stadtraum zählen aber nicht nur Freiflächen, die man mit Skulpturen bespielt oder Wände, die neu gestaltet werden. Agnes Jänsch und Luca Daberto nutzen den Linenbus 720 als Bühne für eine "performative Intervention in einen Raum alltäglicher Bewegung", wie sie ihr Projekt "Out" beschreiben: Schauspielerinnen mischen sich unter die Fahrgäste und machen die verschiedenen Facetten des Begriffs "Raus" in szenischen Miniaturen sichtbar. In der Interaktion zwischen Schauspielerinnen und Fahrgästen entstehen kleine, spannungsreiche Momente, die sich zwischen Beiläufigkeit und Absurdität bewegen. Die bespielten 720er-Busse sind an einer grünen Farbkarte in der Frontscheibe zu erkennen. Der Fahrplan für "Out": 4. August, 11 bis 16.30 Uhr, 8. August, 15.30 bis 21 Uhr, 10. August, 10 bis 19 Uhr, 5. September, 10 bis 19 Uhr und 13. September, 19 bis 22 Uhr.

Für die Besichtigung der übrigen Kunstwerke empfiehlt sich ein ausgedehnter Spaziergang: Wer will, kann die Werke in etwa 90 Minuten ablaufen: Entlang eines Fußwegs vom Bahnhof in die Altstadt und zurück liegen auf öffentlichen Plätzen sowie in Galerien die einzelnen Ausstellungsorte. Natürlich kann man auch mehr Zeit bei "Raus" verbringen, selbst bei schlechtem Wetter, denn es gibt begleitende Ausstellungen in der KVD-Galerie, dem Dachauer Wasserturm, der Galerie Lochner, der Kleinen Altstadtgalerie und der Neuen Galerie. Dazu gibt es noch Workshops, Diskurse und temporäre Events. Informationen zu den Ausstellungsplätzen und den einzelnen Veranstaltungen sind auf der Website der KVD zu finden sowie in den begleitenden Info-Flyern.

Allerdings ist unklar, ob alle Kunstwerke bis zum offiziellen Ende der Ausstellung am 13. September durchhalten. Grafiker Heiko Klohn hat im Stadtgebiet eine Vielzahl von Elefantenbildern angebracht, darunter auch die Darstellung einer Elefantenherde, die großformatig auf einer Mauer an der Hexengasse prangt. Am Donnerstag wurden sie allerdings von einer Heerschar gelber Nacktschnecken attackiert: Bei strömendem Regen krochen sie die nasse Mauer empor und nagten Löcher in die Dickhäuter. So hatte sich Heiko Klohn das sicher nicht gedacht. Ersetzt werden sollen die schneckenbefallenen Bilder aber nicht. Das Zusammenspiel von natürlicher Umgebung und Werk gehört ja gerade zum besonderen Reiz dieser Ausstellung.

Unterschiedliche Orte im öffentlichen Raum werden zu Schauplätzen der Begegnung mit Kunst. Durch vielfältige Eingriffe werden Orte mit künstlerischen Konzepten bespielt, verändert und so individuell und neu erlebbar. Das ermöglicht eine neue Perspektive auf die Stadt, einen frischen Blick auf die Orte in Dachau. Auch der Blick auf die Kunst selbst schärft sich: Sie wird außerhalb des gewohnten Galerien- und Museumskontexts sichtbar - sie befragt die Orte und ihre Beschaffenheit, sowie die Rolle der Kunst in unserer Gesellschaft und fordert den Betrachter auch selbst dazu heraus, Stellung zu beziehen.

"Raus": Die Ausstellung ist in den Galerien nur bis zum 1. September zu besichtigen. Im öffentlichen Raum bleiben alle Arbeiten bis zur "Langen Nacht der offenen Türen" in den Galerien am 13. September. Die Eröffnung von "Raus" ist am Sonntag, 4. August, um 11 Uhr in der KVD- Galerie. Die Öffnungszeiten der Galerien sind Mittwoch bis Samstag, 15 bis 19 Uhr, sowie Sonntag 12 bis 18 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2019
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