Süddeutsche Zeitung

Kultur in Dachau:"Die KVD hat an Renommée gewonnen"

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Die Künstlervereinigung Dachau startet mit viel Elan in das Ausstellungsjahr 2022. Im Programm spiegeln sich einige grundlegende Entwicklungen wider: der Ausbau der Beziehungen innerhalb und außerhalb Deutschlands und eine Offenheit auch für junge Talente

Von Gregor Schiegl, Dachau

Szene aus dem Zyklus "Das Haus des Erfinders" von Herbert Nauderer.

Objekt von Thomas Behling.

Ausstellung im Freisinger Schafhof zur Künstlerfreundschaft mit Oświęcim.

Arbeit von Martyna Paluchiewicz-Łabaj.

Alle zwei Jahre richtet die Künstlervereinigung Dachau (KVD) ihre Schlossausstellung aus, zahlreiche Gastkünstler aus ganz Deutschland sind jedes Mal mit dabei. Erst 2023 ist es wieder so weit, man braucht ja auch mal Zeit zum Verschnaufen. Davon kann bei der KVD in diesem Interimsjahr allerdings keine Rede sein: Das Programm für 2022 ist wieder gesteckt voll. Nach zwei Jahren Pandemie und wiederholten Lockdowns gibt es zahlreiche Ausstellungen nachzuholen, aber auch einige neue Projekte umzusetzen. "Wir haben viel vor", sagt der KVD-Vorsitzende Johannes Karl. "Trotz aller Omikron-Entwicklungen - wir ziehen das jetzt durch!"

Während große Bereiche der Dachauer Kultur sich gerade in einer Art pandemischem Winterschlaf befinden in Erwartung besserer Zeiten, herrscht beim Vorstand der KVD gerade ein erstaunlicher, zupackender Optimismus. Wäre es nicht so ein großes, dröhnendes Wort, man wäre versucht, eine neue "Aufbruchsstimmung" auszurufen. Tatsächlich läuft es für die KVD gerade gar nicht schlecht. Vier aktuelle Entwicklungen, die sich auch im neuen Ausstellungsjahr niederschlagen.

Die jungen Kreativen

Dachaus Künstlervereinigung KVD kann auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurückblicken. Das Los anderer altehrwürdiger Kunstvereine, die langsam vergreisen und schließlich irgendwann aussterben, droht der KVD auf absehbare Zeit nicht. Allein in den vergangen zwei Jahren wurden neun neue Mitglieder aufgenommen, fünf davon stellen sich in diesem Jahr erstmals dem Publikum in der KVD-Galerie mit ihren Arbeiten vor: Michael Braun, Margarita Platis, Marian Wiesner, Christian Engelmann und Christina Seeholzer.

Damit eine möglichst breite Öffentlichkeit ihre Objekte, Installationen und grafischen Arbeiten kennenlernen kann, findet die Gemeinschaftsausstellung im September statt. Bei der "Langen Nacht der Galerien und Museen" herrscht immer Hochbetrieb in der Altstadt, und unter den Flaneuren sind auch viele, die sonst nicht jedes Wochenende eine Galerie oder ein Museum besuchen. Dass die KVD auch jungen Talenten eine Chance gibt, die gerade erst frisch von der Kunsthochschule kommen, zahlt sich auch für die KVD aus. "Die Kunststudenten tragen das weiter", sagt Johannes Karl. Trotz ihrer altehrwürdigen Historie gilt die KVD als attraktive Anlaufstelle für junge Künstler aus der Region.

Druck aus Leipzig

Den Anfang im Reigen der KVD-Ausstellungen macht bereits an diesem Donnerstag Patrick Fauck. In seinen Grafiken kombiniert der Künstler aus Leipzig verschiedenste Drucktechniken: Holz- und Linolschnitt, Lithografie, Siebdruck und den fast in Vergessenheit geratenen Lichtdruck. Diese Technik wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von den Pionieren der Fotografie entwickelt und nutzt Spiegelglasscheiben als Druckform. Zustande gekommen ist der Kontakt zu Fauck über die Leipziger Künstlerin Julienne Jattiot. Ihr "Apokalyptischer Roadmovie", eine Serie von Druckgrafiken, die nach dem Prinzip des Daumenkinos zu einem bunt flimmernden Film zusammengefügt sind, war im vergangenen Jahr in der KVD-Schlossausstellung "Alien Polka" zu sehen.

Leipzig kann auf dem Feld der zeitgenössischen Druckgrafik mit einer ganzen Reihe weiterer hervorragender Künstlerinnen und Künstler glänzen. Dieser Glanz strahlt umso heller, als es um diese Kunstform an den meisten Orten recht dunkel aussieht: Selbst in großen Kunstmetropolen führt die Druckgrafik nur ein randständiges Dasein und ist nur Beiwerk für größere Werke. Dachaus Künstler pflegen den Druck jedoch mit großer Leidenschaft und nicht minderer Kunstfertigkeit, man denke nur an den fabelhaften Alfred Ullrich. Diese Gemeinsamkeit von Dachau und Leipzig ist augenfällig, und vielleicht wird ja auch mehr aus diesen ersten zarten Banden nach Sachsen. "Wir würden uns freuen, wenn wir den Kontakt intensivieren könnten", sagt KVD-Vorstandsmitglied Margot Krottenthaler. "Wir wollen nicht ja nicht nur in unserem eigenen Saft schmoren."

Der gute Ruf

Dem Berliner Künstler Bodo Rott, der 2020 mit seinen fantastisch verschlungenen Landschaften in der KVD-Galerie zu sehen war, verdankt Dachau wohl eine der ungewöhnlichsten Ausstellungen in diesem Dachauer Kunstjahr: Thomas Behlings Bildobjekte wirken wie seltsame Dachbodenfunde: dunkle hölzerne Kästen mit altmodischen technischen Applikationen, analoges Autoradio und Wecker inklusive - und das ist nur das Beiwerk. Im Inneren des Kastens leuchtet eine Waldlandschaft, unterlegt mit rätselhaften Pegelanzeigen. Kann man sich nur schwer vorstellen, stimmt. Muss man selber sehen. KVD-Chef Johannes Karl ist selbst schon gespannt, wie die Arbeiten in natura aussehen. Im April ist es dann so weit.

Dass der in Friedberg lebende Meisterschüler des Bildhauers Yuji Takeoka sich darum beworben hat, in Dachau ausstellen zu dürfen, ist auch ein Ritterschlag für die kleine Künstlervereinigung Dachau. "Ich habe den Eindruck, dass die KVD an Renommée gewonnen hat", sagt Johannes Karl. Dafür spreche nicht nur die hohe Zahl an Bewerbungen auswärtiger Künstler, sondern auch die Qualität der Bewerber. Offenbar habe sich Dachau über die Jahre einen gewissen Ruf als Ausstellungsort erarbeitet: Auswärtige Künstler erlebten eine Stadt mit kunstinteressiertem Publikum, auch Stadträte zeigten sich bei Vernissagen, oft übernehme der OB persönlich die Eröffnungsrede; die Presse bespreche Ausstellungen und Werke. Das ist in den meisten Städten anders. Und wenn ein Künstler kurzfristig eine Unterkunft brauche, sei das Kulturamt immer zur Stelle, um zu helfen. "Die Künstler fühlen sich bei uns gut betreut", sagt Johannes Karl.

Alte und neue Freunde

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. In diesem Jahr sind es 33 Jahre Künstlerfreundschaft zwischen Dachau und Auschwitz. Eine große Feier zum runden Jubiläum 30. Jahrestag hatte die Pandemie vor zwei Jahren vereitelt. Stattdessen behalf man sich an verschiedenen Orten mit kleineren Ausstellungen. "Der Austausch ist dadurch intensiver geworden", sagt Johannes Karl. "Aber es war natürlich auch deutlich mehr Arbeit." 1989 stellten Dachauer Künstlerinnen und Künstler zum ersten Mal in Oświęcim aus. Daraus entwickelte sich eine bis zum heutigen Tag andauernde Freundschaft zwischen den Kunstschaffenden beider Städte, deren Geschichte jeweils auf ihre eigene Weise mit den Menschheitsverbrechen der deutschen Nationalsozialisten verknüpft sind. Zeitgeschichtliche Themen sind hier naturgemäß von besonderer Bedeutung, was aber nie ein Hindernis war, um gemeinsam auf den Putz zu hauen. Zum dritten Schnapszahljubiläum gibt es heuer gleich mehrere Ausstellungen an vier Orten in der Dachauer Altstadt. Auch Künstlerinnen und Künstler aus Polen werden persönlich mit dabei sein und erfreulicherweise auch einige neue junge Gesichter auf polnischer Seite. Es zeichnet sich ein Generationenwechsel ab, der auch notwendig ist, wenn diese besondere Freundschaft Bestand haben soll.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2022
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