Süddeutsche Zeitung

Dobryy Den, Dachau:Als meine Fingerabdrücke verloren gingen

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Anna Huryn ist aus der Ukraine nach Dachau geflohen. Die 21-Jährige berichtet wöchentlich über ihr Ankommen im Landkreis. In der 13. Folge schreibt sie über ihren Weg durch den Dachauer Behördendschungel.

Kolumne von Anna Huryn, Dachau

Die Eigenarten der deutschen Bürokratie bekomme ich inzwischen deutlich zu spüren. In den vergangenen vier Monaten musste ich eine unglaubliche Menge an Zetteln unterschreiben. Menschen aus der Ukraine sind allein aus diesem Grund sehr oft beim Dachauer Landratsamt und beim Jobcenter. Wegen der Sprachbarriere habe ich viel Angst davor, ein Formular falsch auszufüllen. Trotz der Tatsache, dass ich einen Universitätsabschluss in Jura habe, ist es für mich nicht einfach, die deutschen Abläufe zu verstehen. Ohne die deutschen Familien und Übersetzer, die Geflüchteten dabei helfen, jeden einzelnen Brief vom Amt zu verstehen, würde es nicht gehen.

Dabei fing alles so gut an. In den ersten zehn Tagen in Dachau bekam ich eine Aufenthaltserlaubnis und eine sogenannte Fiktionsbescheinigung, gültig bis September 2022 - und sogar erste Sozialleistungen. Die Registrierung lief schnell und perfekt. Dafür will ich den Mitarbeitenden des Landratsamtes danken.

Das System war abgestürzt, die Fingerabdrücke verschwunden

Später wurden die Dinge kompliziert, als es darum ging, einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Ende April musste ich meine Fingerabdrücke bei der Polizei abgeben. Erst Ende Juni fand ich heraus, dass das System abgestürzt und meine Fingerabdrücke verschwunden waren. Das bekam ich überhaupt nur mit, weil die Tochter meiner Gastgeberfamilie einen Brief ans Landratsamt schrieb, sonst hätten wir es wohl nie erfahren.

Direkt am nächsten Tag ging ich wieder los und ließ erneut meine Fingerabdrücke abnehmen. Ich ließ ein biometrisches Passfoto machen, füllte wieder einen grünen Fragebogen aus und dachte: Nun, kommt bald der langersehnte Moment! Doch leider konnte man meinen Aufenthaltstitel im Landratsamt einfach nirgends finden - aufgrund der hohen Zahl von Dokumenten in dem zuständigen Büro. Das Plastikkärtchen, das ganz ähnlich aussieht wie ein deutscher Personalausweis und als Passersatz gilt, war offiziell abholbereit, aber leider nicht auffindbar. Da war ich wirklich fertig mit den Nerven - aber noch lange nicht bereit aufzugeben. Also ging ich eine Woche später wieder zum Landratsamt. Ich wartete nicht, bis irgendein Brief ankam. Ich stellte mich an, zog eine Wartenummer, und - Halleluja - bekam endlich mein Kärtchen überreicht.

Ich verstehe, dass hier im Moment besonders viele ukrainische Geflüchtete und die Anlaufstellen überlaufen sind. Deshalb versuche ich einfach, ruhig zu bleiben, und bahne mir Schritt für Schritt den Weg durch die deutsche Bürokratie.

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