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Dachau:Die unsichtbare Gefahr aus dem Untergrund

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In Teilen des Landkreises dürfte die Radon-Konzentration den bundesdeutschen Schnitt deutlich übersteigen. Reichert sich das radioaktive Edelgas in der Luft an, kann es Lungenkrebs verursachen. Laut Gesundheitsamt sind bislang aber keine Verdachtsfälle bekannt

Von Stefan Salger und Julia Putzger, Fürstenfeldbruck/Dachau

Teile des Landkreises Dachau weisen eine im Vergleich zum Landesdurchschnitt deutlich erhöhte Belastung durch das radioaktive Radon auf - das Edelgas gilt nach dem Rauchen als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Der Blick auf eine Deutschlandkarte des Bundesamts für Strahlenschutz verdeutlicht die Problematik. Gebiete in der Münchner Region nördlich und südlich der Landeshauptstadt werden der höchsten Gefahrenklasse zugeordnet - mit mehr als 100 000 Becquerel pro Kubikmeter Luft, einen Meter unter Bodenniveau.

Bekämpfen lässt sich der Austritt des natürlich vorkommenden Radons nicht. Es kann sich sowohl im Wasser als auch in der Luft unter ungünstigen Bedingungen anreichern. Wirkungsvolle Gegenmaßnahmen können Betonbodenplatten unter den Häusern sein, deren Einbau in modernen Gebäuden längst üblich und seit Anfang des Jahres in der novellierten Strahlenschutzverordnung geregelt ist. Es muss gewährleistet sein, dass das Edelgas nicht oder nur erheblich erschwert aus dem Erdreich durch Wände oder Kellerboden dringt. Spezielle Dichtungsplanen unter dem Fundament können helfen. Bei älteren Gebäuden, beispielsweise Ziegelgewölbekeller mit Ziegelboden, kann die geforderte Luftdichtigkeit nachträglich aber nur eingeschränkt hergestellt werden.

Den Referenzwert für die Radonvariante 222 legt das Strahlenschutzgesetz auf 300 Becquerel je Kubikmeter Luft fest. Er gilt für Aufenthaltsräume in Neubauten und wird übers Jahr gemittelt. Die Einheit Becquerel gibt die Anzahl der radioaktiven Zerfälle pro Sekunde an. Um in die Nähe dieser Werte zu kommen, empfiehlt das Dachauer Gesundheitsamt, betroffene Räume gut zu lüften. Über eine mögliche akute Gefahr liegen dem Gesundheitsamt keine Informationen vor. Außerdem gebe es im Landkreis keine Kenntnis von Lungenkrebsfällen oder anderen Krankheiten, bei denen Radon im Verdacht steht, der Auslöser zu sein. Allerdings gebe es diesbezüglich keine Meldepflicht gegenüber dem Amt. Auch für das Trinkwasser gibt das Gesundheitsamt Entwarnung - bisher sei kein Radon im Trinkwasser des Landkreises nachgewiesen worden.

Freilich tappt man vor allem beim Thema "Radon in der Luft" weitgehend im Dunklen. Denn es gibt keine eigenen Messungen der Kreisbehörde. Um aussagekräftig zu sein, müssten diese über einen Zeitraum von etwa drei Monaten vorgenommen werden. Grundsätzlich zuständig ist das Landesamt für Umwelt. Die recht grobe Karte des Bundesamts für Strahlenschutz könne nur einen ersten Anhaltspunkt für eine Belastung sein. Das Dachauer Gesundheitsamt rät Bürgern, sich im Zweifelsfall an Labore und Sachverständige für Schadstoffuntersuchungen in Innenräumen zu wenden. Denn das Edelgas selbst ist geruchslos und unsichtbar. Zudem kann man sich beim bayerischen Radon-Netzwerk informieren. Die Kommunikations- und Kooperationsplattform wurde 2012 unter der Leitung des bayerischen Landesamts für Umwelt gemeinsam mit dem Bauzentrum München gegründet. 200 Mitglieder aus Wissenschaft, Forschung, Behörden, Wirtschaft und Kommunen versuchen, bei der Öffentlichkeit das Interesse für das Thema zu wecken. Denn das Gesundheitsrisiko, etwa in Wohnungen, ist aus Sicht des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) noch nicht ausreichend bekannt. "Radon ist ein ernst zu nehmendes Risiko für die Gesundheit. Nach dem Rauchen ist Radon die zweithäufigste Ursache von Lungenkrebs", sagt BfS-Präsidentin Inge Paulini. Viele Menschen wüssten das nicht.

Manchmal wird die Gefahr auch überschätzt. So löste etwa im Landkreis Fürstenfeldbruck ein Referent im Februar 2018 Verunsicherung aus, als er vor spürbar steigenden Radonbelastungen durch den Bau von Geothermieanlagen warnte.

Das BfS lässt im Auftrag des Bundesumweltministeriums in zufällig ausgewählten Haushalten Radon-Messgeräte aufstellen. Bis Ende 2020 müssen die Bundesländer Gebiete ausweisen, in denen in vielen Gebäuden der Referenzwert 300 Becquerel pro Kubikmeter überschritten wird.

Weitere Informationen unter www.lfu.bayern.de/strahlung/radon_in_gebaeuden

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SZ vom 22.10.2019
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