Süddeutsche Zeitung

Dachau:Die Prinzessinnenmacherin

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Katerina Piperias lebt ihren Traum: Sie kreiert mit viel Leidenschaft für jede Faschingssaison glamouröse Kleider im Sisi-Stil.

Von Christiane Bracht

Feine Stoffe wie Samt und Seide - das ist ihre Welt. Am liebsten aber hat Katerina Piperas es, wenn es funkelt und glitzert. Und so lassen Taft, Lamé, Pailletten und Spitze ihr Herz höher schlagen. Das begeistert auch ihre Kundinnen. Die meisten wünschen sich nämlich, einmal im Leben Prinzessin zu sein - oder sich zumindest so zu fühlen. Und Piperias weiß, wie man eine normale Frau verwandeln kann, so dass sich alle umdrehen und sie bewundern. Die 50-jährige Dachauerin ist Schneiderin aus Leidenschaft - natürlich nicht für ordinäre Hosen und Röcke. Sie hat sich auf Braut- und Abendkleider spezialisiert - am allerliebsten näht sie aber für den Fasching. Natürlich geht es dann nicht darum, Clownskostüme herzustellen oder falsche Krankenschwestern neckisch einzukleiden. Piperias ist eine Prinzessinnenmacherin, was sonst?

Ihr Faible für Glitzer und Glamour, das spricht die jungen Frauen an und so hat die Dachauerin schon mindestens 30 Prinzenpaare ausstaffiert. Die Begeisterung bei den Glücklichen ist so groß, dass sich ihr Können längst herumgesprochen hat. Und so näht sie nicht nur für die Narhalla, bei der sie selbst aktiv ist, auch die Faschingsgesellschaft Dachau hat sie für sich entdeckt und seit neuestem kommt auch der Faschingsclub München-Neuhausen zu ihr.

"Fasching ist mein Leben"

Aber was ist so besonders an Piperias? "Fasching ist mein Leben", bekennt sie und ihre Augen leuchten. Für sie ist das Kostümschneidern nicht nur ein Job - sie lebt ihren Traum. Und das merken die jungen Paare. Außerdem kennt sie die meisten persönlich. Denn Piperias hockt nicht nur in ihrem Nähstübchen. Wenn Fasching ist, ist sie dabei. Sie genießt jeden Auftritt der Narren von der Proklamation des Prinzenpaares über die Inthronisation bis zum Kehraus. Jahrelang tanzte sie in der Garde mit, trat bei den Shows auf, auch jetzt veranstaltet sie noch jede Saison mit ihrem Mann zusammen den Kinderfasching der Narhalla und ist im Hofstaat mit dabei - als Hofdame. Als solche begleitet sie die Prinzessin von Auftritt zu Auftritt, trägt ihr Täschchen, hält die Türen auf, holt ihr was zu trinken, fächelt ihr Luft zu und passt auf, dass sie nicht geklaut wird.

Tja, da staunt der Faschingsmuffel. Es gibt nicht nur entführte Bräute, auch Prinzessinnen sind vor Fremden nicht sicher - und sie müssen, wenn sie gekidnappt wurden, ausgelöst werden. So will es die Tradition. Man spürt Piperias Begeisterung, wenn sie vom Fasching und seinen Traditionen erzählt oder vom Showtanz mit Hebefiguren und Pyramiden, Rock'n'roll und Schulterstehen. Oder von den Kindern, die anfangs ganz verschüchtert am Rockzipfel ihrer Eltern hängen, deren Vertrauen man erst gewinnen muss, bevor man sie mit kleinen Spielchen locken und begeistern kann. Sie schwärmt von ihrem Auftritt als Clown Pauline, so sehr, dass man sich lebhaft vorstellen kann, wie sie im Mittelpunkt steht unter Hunderten von Kindern und allein durch ihre Begeisterung die Kleinsten zum Mitmachen animiert. Was man sich weniger gut vorstellen kann, ist, wie Piperias in der zweiten Reihe an der Seite der Prinzessin läuft, um ihr zu dienen. Sie ist einfach keine, die sich immer im Hintergrund hält. Die Dachauerin sprüht vor Elan und Leidenschaft, gestikuliert mit Händen und Füßen und zieht die Blicke auf sich - allein durch ihre Art. "Aber ich kann mich auch zurücknehmen", sagt sie.

Der Hofstaat ist wie eine Familie

Aber woher kommt diese Begeisterung für Fasching? Was ist so unwiderstehlich am närrischen Treiben? "Ich verkleide mich gerne gut und ich liebe es, in Rollen zu schlüpfen", erklärt Piperias. Aber was noch wichtiger ist: "Ich bin leidenschaftliche Tänzerin: Standard, Latein und Salsa. Und im Fasching bei Live-Musik kann man das vollkommen ausleben. Das ist einfach Wahnsinn! Außerdem ist der Hofstaat wie eine Familie. Manchmal gibt es Querelen, wie bei jedem Verein, aber wir haben viel Spaß im Auto und zwischen den Auftritten, man ist jedes Wochenende miteinander unterwegs, lacht und erzählt sich was."

Der traurigste Tag im Jahr ist für Pipe-rias, der, an dem Faschingsmuffel erleichtert aufatmen: Aschermittwoch. "Sechs Tage lang ist man toujours unterwegs und dann ist von einer Stunde auf die andere alles vorbei", sagt sie. "In der Nacht war der Saal noch schön geschmückt, alles bunt, alles glitzernd, man hatte Spaß und am Mittwoch kommt man in den braun getäfelten Bürgersaal, die Bühne ist dunkel, alles weggeräumt, der Fasching beerdigt und man isst Fisch in dem traurigen Raum. Da fällt man in ein Loch." Lange währt die traurige Zeit für die Dachauerin aber nicht. Denn: Nach der Saison ist vor der Saison. Kaum ist der Fisch gegessen und der Kater abgeklungen, überlegen die eingeschworenen Narren schon, wer den Hofstaat im nächsten Jahr anführen könnte. Ein Prinzenpaar ist nämlich nicht so leicht zu finden. Es ist zwar ein tolles Gefühl, wenn man ein paar Wochen lang hofiert wird, aber Prinzessin sein, kostet auch einiges. "3000 Euro - damit muss man mindestens rechnen", weiß Piperias. Denn die Prinzen und Prinzessinnen müssen nicht nur ihre Kleider selbst zahlen, sie sind während der Saison ständig unterwegs, müssen deshalb oft Essen gehen oder mal jemanden einladen. Es summiert sich halt.

Wenn das Prinzenpaar feststeht - das ist meist sechs Wochen nach der vorangegangenen Saison - im April, beginnt Piperias Arbeit: Man trifft sich. Das junge Paar darf seine Vorstellungen äußern, es wählt die Farben, die es gerne hat. Piperias berät die beiden, fertigt unterdessen schon erste Entwürfe auf einem Blatt Papier an. Die Präsidenten des Faschingsclubs sind auch dabei. Ihnen ist wichtig, dass man sich mit anderen Gesellschaften nicht ins Gehege kommt. Schließlich soll die Prinzessin einzigartig sein. Bevor man gemeinsam die Stoffe aussucht, wird Maß genommen. Einen ganzen Nachmittag tummeln sich Schneiderin und Prinzenpaar in einem riesigen Lager mit Hunderten von Stoffballen. Man überlegt hin und her.

Eigenes Reich unterm Dach

Danach zieht sich Piperias in ihr kleines Nähstübchen unter dem Dach zurück. Es ist ihr Reich. Hier stört sie niemand. Hier kann sie kreativ werden. Sie tüftelt und probiert, entwirft raffinierte Farbkompositionen, schneidet Spitze aus, um sie anderswo platzieren zu können. So kann sie farbliche Akzente setzen. Dann wird erneut probiert, angepasst oder wieder verworfen. Nicht jeder Frau steht das gleiche Kleid, der gleiche Schnitt. Und so entwickelt sich das Prinzessinnenkleid langsam und immer sehr individuell. Schließlich muss es auch den Geschmack der neuen Faschingsprinzessin treffen, nicht nur den der Schneiderin.

Piperias ist aber nicht nur für Stoffe und Nähte zuständig. Sie begleitet die künftigen Prinzessinnen auch auf ihrem Weg zur Inthronisation. Sie kann sich nämlich bestens in ihre Kundinnen hineinversetzen. Den Bedenken und Schwierigkeiten der jungen Frauen, aber auch ihrer Vorfreude weiß sie zu begegnen. Sie kann ihnen Tipps und Empfehlungen mit auf den Weg geben. Denn die Dachauerin war vor 22 Jahren selbst einmal Faschingsprinzessin. Damals war sie noch in der Lehre. Ihre Kollegin brachte sie zur Starnberger Perchalla, kaum später führte sie den Hofstaat an. Alle Blicke waren eine Saison lang auf sie gerichtet. "Ein tolles Gefühl", schwärmt sie noch heute. Das gold-schwarz-grüne Prinzessinnenkleid, das sie damals voller Stolz trug, hängt nun im Schrank. Es wird gehütet wie ein Schatz. Zu viele Erinnerungen hängen daran, als dass sie es einfach weggeben könnte.

In dem Bewusstsein, dass auch ihre Kundinnen das Kleid aufbewahren, kreiert Piperias Rosen als Hingucker, wählt verschiedene Glitzereffekte, schneidet Röcke raffiniert auf, damit ein andersfarbiger feiner Unterrock hervorblitzen kann. Die Schneiderin hat ihren Stil gefunden: "Es ist der Sisi-Stil", bekennt sie grinsend. "Als kleines Mädchen habe ich Sisi geliebt und ihre Kleider." Und so tragen die Dachauer Prinzessinnen ein Korsagenkleid mit weitem Rock. Damit dieser bei den Auftritten schön schwingen kann, näht Piperias den jungen Frauen aufwendige Pettycoats darunter. Jedes Kleid ist besonders - genau auf ihre Trägerin abgestimmt. Eben ein echter Prinzessinnentraum.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2017
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