Süddeutsche Zeitung

Corona-Proteste in Dachau:"Hoffnung, dass Einzelne ins Nachdenken kommen"

Lesezeit: 3 min

Impfpflichtgegner weichen dem Dialog mit Bürgerbündnis bei Demonstrationen aus. Ermittlungen wegen Hitlergruß aus den Reihen der Protestierenden laufen.

Von Alexandra Vettori, Dachau

Zum Schluss, am Rotkreuzplatz, kommen Einzelne aus dem Tross der Impfpflichtgegner und die wartenden Gegendemonstranten dann doch noch ins Gespräch. In das flackernde Blaulicht eines Polizeiwagens getaucht stehen sie sich gegenüber und werfen sich Fragen und Argumente an die Köpfe, für und wider Impfen, für und wider Impfpflicht, nur kurz und ohne gemeinsamen Nenner.

Ansonsten aber ist es am Montagabend in Dachau nicht ganz so kommunikativ zugegangen, wie von dem breiten Bündnis aus Parteien und Gruppen erhofft. Eigentlich wollten deren Vertreter mit den Maßnahmen-Gegnern ausführlich reden, wozu sich mehrere Kleingruppen entlang der üblichen Route der Impfpflichtgegner positioniert hatten. Doch die bekamen offenbar Wind von dem Kontaktversuch und marschierten nicht durch die Altstadt, sondern in einem weiten Bogen um diese herum.

Laut Polizeibericht haben auch am vergangenen Montag wieder 300 Gegner der Corona-Maßnahmen an dem unangemeldeten Protesten der Impfgegner in Dachau teilgenommen, ihnen gegenüber standen rund 200 Gegendemonstranten, die an sieben Orten Versammlungen angemeldet hatten. Ordnungswidrige Verstöße habe man nicht festgestellt, wenn auch einzelne Impfpflichtgegner mehrmals an den geltenden Mindestabstand erinnert werden mussten, heißt es in der Meldung der Polizei weiter.

Nach der Versammlung sei allerdings bekannt geworden, dass ein Mann aus der Gruppe der Protestierenden auf Höhe des Karlsberges den sogenannten Hitlergruß gezeigt haben soll. Die Polizei Dachau ermittelt und bittet unter der Telefonnummer 08131/5610 um Zeugenhinweise. Mehr wisse man derzeit nicht, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag auf Nachfrage, "die Meldung kam erst, als die Versammlung schon beendet war".

"Hier werden einem die typischen Reichsbürger-Sachen an den Kopf geworfen"

Bei dem verbalen Schlagabtausch am Ende des Zuges am Rotkreuzplatz, erfüllt sich die Hoffnung des Bündnisses auf fruchtbare Gespräche jedenfalls nicht. "Hier werden einem die typischen Reichsbürger-Sachen an den Kopf geworfen, zum Beispiel, dass wir in Deutschland keine Verfassung hätten", so Martin Modlinger, Dachauer Grünen-Vorsitzender und Versammlungsleiter an diesem Abend. "Das hier jetzt war der rechtere Rand der Teilnehmer", sagt er, nachdem er kurz zuvor einem bulligen jungen Mann mit schwarzem Schlupfschal vor dem Gesicht gegenüber stand. Das hat Carsten König von Bündnis für Dachau ähnlich erlebt: "Wir haben den Eindruck, dass die Impfgegner kein Interesse am Austausch haben, sonst hätten sie ja auch nicht eine andere Route gewählt."

Ein Stück weiter steht Peter Heller vom Runden Tisch gegen Rassismus Dachau mit einem Schild, das fragt "Wissen Sie, mit wem sie marschieren?". Geduldig erklärt Heller einem der Protestierenden, der sich dagegen verwehrt, als rechtsradikal tituliert zu werden, "wir haben nicht gesagt, dass Sie rechtsradikal sind, aber wir haben gesagt, es laufen welche mit". Doch da wendet sich der andere schon ab.

Entmutigt ist Heller nicht: "Unsere Hoffnung ist, dass Einzelne doch ins Nachdenken kommen." Auch Modlinger betont am Ende des langen, kalten Abends, dass die Gesprächsbemühungen des Bündnisses nicht ganz umsonst waren: "Wir hatten auch eine gute, bestimmt 20 Minuten lange Unterhaltung mit einigen Leuten über Impfflicht und Nebenwirkungen, da war zumindest ein Dialog da". Dennoch sinniert auch Johanna Dorr, Sprecherin des Dachauer Kreisverbands der Grünen Jugend, über den Sinn der Diskussionen und kommt zu dem Schluss: "Nichts tun geht auch nicht".

"Selbst abstruse Meinungen haben in einer Demokratie ihren Platz."

Zu Beginn des Abends hatte sich vor dem Dachauer Rathaus auch Landrat Stefan Löwl (CSU) unter die Gegendemonstranten gemischt und das Wort ergriffen. Man dürfe verschiedene Meinungen haben und ein Austausch darüber sei wichtig, betonte er, "selbst abstruse Meinungen haben in einer Demokratie ihren Platz". Doch Demokratie habe nun einmal Spielregeln, an die sich alle halten müssten, und das bedeute, dass Versammlungen angemeldet werden müssten. "Auch ein Spaziergang ist eine Versammlung, weil er den gleichen demokratischen Anspruch hat", so Landrat Löwl. Zuvor hatte Modlinger erklärt, man habe sich angesichts der rasant steigenden Corona-Inzidenz gut überlegt, ob man sich überhaupt versammeln sollte. Doch man wolle den öffentlichen Diskurs nicht einer Minderheit überlassen. Und weil sich die Maßnahmen-Kritiker stets beschwerten, dass man ihnen nicht zuhöre, habe man sich für die Gesprächsangebote entschieden.

Am Tag darauf zieht Thomas Obeser, Mitglied im Kreisverband der FDP und Mitorganisator der Gegenveranstaltung, ein positives Fazit - auch ohne viele Gespräche: "Es war trotzdem relativ sinnvoll, man hat uns wahr genommen, der Landrat hat gesprochen, und wir haben nochmal ein Zeichen dafür gesetzt, dass wir für den Austausch stehen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5515080
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.