Süddeutsche Zeitung

Dachauer Pub-Wirt:"Ich fände einen kompletten Lockdown sinnvoller"

Lesezeit: 3 min

Paul Hanlon, Inhaber des Pubs "The Muddy Boot", kann verstehen, warum Barschließungen notwendig sind, ärgert sich aber über zu viele Grauzonen. Ein Interview.

Von Thomas Altvater, Dachau

Paul Hanlon, 49, ist der Inhaber des Pubs "The Muddy Boot". Bereits seit 13 Jahren steht er hinter dem Tresen der kleinen Kneipe in der Dachauer Pfarrstraße, wo er dunkles Bier und irischen Whiskey ausschenkt. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren nicht leicht für den Gastronomen. Seit der Bayerische Landtag vergangenen Dienstag beschlossen hat, dass Bars, Kneipen und Clubs zunächst erneut für drei Wochen nicht mehr öffnen dürfen, hat Hanlon die finanzielle Unsicherheit erneut eingeholt. Trotzdem hält er die Maßnahmen für den richtige Weg.

SZ: Herr Hanlon, Bars und Kneipen, aber auch Clubs müssen in Bayern erneut schließen. Wie geht es Ihnen damit?

Paul Hanlon: Es ist alles ein bisschen chaotisch. Da ich auch Essen in meiner Kneipe anbiete, weiß ich gerade noch nicht, ob ich wirklich zusperren muss. Das ist eine Grauzone gerade, in der ich mich mit meinem Pub befinde. Ich weiß auch noch nicht, ob ich Überbrückungshilfen bekomme, wenn ich offen habe. Oder ob es solche Hilfen überhaupt geben wird. Da den Überblick zu behalten, das ist wirklich sehr schwer momentan. Die finanzielle Lage ist aber nur eine Sache. Ich finde, dieser Teil-Lockdown ist erst einmal der richtige Weg. Man sieht ja, wie voll die Krankenhäuser sind. Finanziell ist es natürlich eine Katastrophe. Aber auf die Krankenhäuser zuerst Acht zu geben, das ist viel wichtiger als ein kurzfristiges finanzielles Problem.

Wie haben Sie die Nachricht aufgefasst, dass die Bars nun wieder schließen?

Also ich habe schon ein bisschen damit gerechnet, dass es so kommen wird. Weil die Zahlen nicht mehr runtergegangen sind. Da war das einfach eine Frage der Zeit. Trotzdem fände ich einen kompletten Lockdown sinnvoller, dass alle zumachen und es nicht mehr diese Grauzone gibt wie bei mir. Es sollte aber auch Ausnahmen geben, etwa für die Gastronomie, die Essen an arbeitende Leute verkauft. Aber diese Grauzone gerade ist schlecht. Das bedeutet für mich schlaflose Nächte, weil ich nicht weiß, ob ich öffnen darf oder nicht. In meiner kleinen Bar mache ich den meisten Umsatz nach 22 Uhr, wo jetzt die Sperrstunde wäre. Das würde komplett wegfallen.

Haben Sie den Sommer über gemerkt, wie sehr Ihren Gästen die Bars und Kneipen gefehlt haben?

Das war das größte Gesprächsthema, wochenlang. Früher, vor Corona, haben die Leute zum Beispiel Komplimente über die Musik gemacht. Aber jetzt im Sommer nach dem Lockdown haben sich die Leute einfach gefreut, hier zu sein. Ich musste das selbst auch mehrmals jeden Tag wiederholen, wie schön das eigentlich war. Das letzte Mal waren fast sieben Monate Lockdown, das war eine soziale Dürre.

Kommen wir zurück in die Gegenwart. Haben Sie bei Ihren Kunden in den vergangenen Wochen eine gewisse Unsicherheit angesichts der Situation gerade verspürt?

Dazu muss man zunächst sagen, dass wir seit fast einem Monat 2G haben, obwohl am Anfang auch 3G möglich gewesen wäre. Zuerst haben uns schon einige Gäste gesagt, dass das schlecht für das Geschäft sein könnte. Aber wir haben das trotzdem gemacht. Das hat sich einfach richtig angefühlt angesichts der Lage. Erstaunlicherweise waren wir dann sehr gut besucht. Die Leute waren froh, dass wir das gemacht haben. Doch seit ungefähr zwei Wochen ist die Kneipe deutlich leerer als sonst. Die Leute haben selbst Angst, das merke ich schon. Ich merke das auch beim Umsatz, der die vergangenen beiden Wochen eingebrochen ist. Die letzten zwei Tage habe ich zusammengenommen nicht einmal das geschafft, was ich ansonsten in einer Nacht an Umsatz mache. Also das ist katastrophal jetzt, das rentiert sich dann kaum aufzusperren wegen der Kosten.

Was ist der Unterschied zum vergangenen Lockdown?

Anders ist, dass es diese Perspektivlosigkeit so nicht mehr gibt. Beim letzten Lockdown wussten wir ganz lange nicht, wann wir wieder aufsperren können. Jetzt rechne ich damit, dass es dieses Mal vor allem wegen der Impfkampagne nicht so lange dauern wird. Die Situation jetzt ist trotzdem viel schwieriger als noch vor einem Jahr. Mein Dispokredit ist aufgebraucht, die ganzen Ersparnisse und Reserven waren schon nach dem ersten Lockdown weg. Also jetzt gerade ist es wirklich kritisch. Das ist finanziell der schlimmste Zustand, den ich bis jetzt erlebt habe. Das Timing ist einfach schlecht. Aber ich finde es trotzdem richtig, dass es zumindest diesen Teil-Lockdown gibt, es ist einfach die richtige Entscheidung.

Haben Sie Angst, dass Sie diese Schließung nicht überstehen werden?

Ein bisschen schon, also ich mache mir schon ein bisschen Sorgen. Das wäre auch echt schade, die Kneipe nach 13 Jahren aus diesem Grund zu verlieren. Das wäre das allerschlimmste, was ich mir geschäftlich vorstellen kann. Wir sind gut integriert, uns kennen viele Leute. Ich habe schon fast einen Generationenwechsel bei der Kundschaft erlebt. Deshalb wäre das echt schade, wenn ich zumachen müsste.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2021
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