Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft im Landkreis:Unternehmen finden keine Azubis

Lesezeit: 2 min

In einer Woche beginnt das neue Ausbildungsjahr. Doch viele Betriebe im Landkreis suchen vergeblich nach Lehrlingen. Die Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm.

Von David Holzapfel, Dachau

Wenige Tage vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres stehen viele Dachauer Betriebe vor der großen Herausforderung, ihre Lehrlingsplätze zu besetzen. 249 freie Lehrstellen gibt es laut der Bundesagentur für Arbeit derzeit im Landkreis. Ihnen gegenüber stehen 148 unversorgte Bewerber. Experten und Betriebe rechnen angesichts dieser Zahlen auch in diesem Jahr wieder damit, dass eine Vielzahl an Ausbildungsplätzen frei bleiben wird. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) schlägt Alarm: "Die Betriebe stehen vor einem Dilemma, denn der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt", sagt Peter Fink, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Dachau.

Die Ende Juli veröffentlichten Zahlen der Arbeitsagentur beziehen sich auf alle Bereiche der beruflichen Bildung. Der größte davon ist der IHK-Bereich mit mehr als 670 Azubis in 273 Ausbildungsbetrieben aus Industrie, Handel und Dienstleistungen. Er stellt mehr als 60 Prozent der Ausbildungsverhältnisse im Landkreis. Danach folgen Handwerk und freie Berufe. Die meisten unbesetzten Ausbildungsplätze gibt es laut der Arbeitsagentur in den Berufen des Verkäufers (23 Stellen), Einzelhandelskaufmannes (21 Stellen) und Elektronikers (13 Stellen). Die Auswahl an Berufsausbildungen ist groß. Wo aber bleiben die so dringend gesuchten Auszubildenden?

Insbesondere kleine Betriebe gehen beim Ringen um Azubis oft leer aus

Schwindende Schulabgänger-Zahlen bei Mittel- und Realschulen sind für Peter Fink einer der Hauptgründe für den Lehrlingsmangel. "Der Trend geht zu weiterführenden Schulen und zum Studium", sagt er. Die Politik habe viel zu lange den Eindruck vermittelt, nur ein Hochschulstudium sei der Königsweg für eine erfolgreiche Karriere. Diese Haltung habe sich nun zum Glück zwar geändert. Die langfristigen Folgen aber müssten die Betriebe noch immer ausbaden. Hinzu kommt die im Landkreis anhaltend niedrige Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent.

Die Zahl an Arbeits- und Ausbildungssuchenden ist gering, bei einem gleichzeitigen Anstieg an Lehrstellen. Der Arbeitsagentur zufolge werden mit Stand Juli über alle Berufsgruppen hinweg 532 Ausbildungsplätze im Landkreis angeboten - vor fünf Jahren waren es noch 312. Vor allem Klein- respektive Familienbetriebe blieben beim Ringen um Azubis oft auf der Strecke, sagt Jakob Hardwig, Obermeister der Metallinnung Dachau. Hardwig sieht noch einer weiteren Grund, weshalb die Dachauer Handwerksbetriebe auf dem Arbeitsmarkt oftmals leer ausgingen: "Die Konkurrenz, vor allem im Münchner Ballungsraum, ist riesig", sagt er. Mit modernsten Arbeitsmaschinen und -Plätzen hätten Großunternehmen wie MAN, MTU und andere im direkten Vergleich oft die Nase vorn, sie seien schlichtweg attraktiver für junge Lehrlinge.

Der Mangel an Auszubildenden ist nicht nur im Landkreis ein Problem

Der Mangel an Auszubildenden ist nicht nur im Landkreis ein Problem. Alleine in Bayern blieben zuletzt 7000 Lehrstellen fürs Handwerk unbesetzt, in ganz Deutschland waren es 17 000. In einer aktuellen Umfrage der IHK gaben 36 Prozent der bayerischen Unternehmen an, dass nicht alle Lehrstellen besetzt werden konnten.

Wirtschaft und Politik suchen nun nach Wegen um gegenzusteuern. So wird zu Beginn des kommenden Jahres ein bundesweiter Azubi-Mindestlohn von 515 Euro eingeführt. In Dachau dürfte sich diese Novellierung aber kaum bemerkbar machen. Die meisten Betriebe im Landkreis zahlen schon jetzt mehr als den von der großen Koalition forcierten Mindestlohn, bestätigt die IHK. Auch seitens der Gewerkschaften und Innungen gibt es Bemühungen, Azubis anzuwerben. Werbekampagnen in Schulen sollen gezielt Schüler und ihre Eltern ansprechen. Doch diese Werbung sei zeitaufwendig und teuer, vor allem kleine Betriebe könnten sich Werbung schlichtweg nicht leisten, sagt Jakob Hardwig. Auch er ist der Meinung, der Mangel an Auszubildenden müsse an der Wurzel, also möglichst schon in den Grundschulen, angepackt werden. "Sind die Jugendlichen erst einmal auf dem Gymnasium, sind sie für eine Ausbildung meist schon verloren."

Inwieweit die Bemühungen gefruchtet haben, wird sich am 1. September zeigen. Für die meisten Betriebe beginnt dann das neue Ausbildungsjahr. Fink sagt: "Wer bis jetzt noch keinen Erfolg mit einer Bewerbung hatte, muss jetzt weiter dranbleiben. Es ist noch nicht zu spät, um im September mit einer Ausbildung zu beginnen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4575660
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.