Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung in der Pandemie:Corona macht eine Frühförderung schwierig

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Dennoch helfen die neue Leiterin Stephanie Trinkl und ihr Team Eltern und Kindern, so gut es geht

Von Eva Waltl, Dachau

Wenn Eltern sich um die Entwicklung ihres Kindes Sorgen machen, sich in deren ersten Lebensjahren Entwicklungsverzögerungen bemerkbar machen oder Babys bereits mit einem Handicap auf die Welt kommen, helfen die Mitarbeiter der Frühförderstelle der Caritas in Dachau. Seit mehr als 40 Jahren begleiten sie die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern von der Geburt bis zur Einschulung. Nachdem die langjährige Leiterin Irene Berner im Januar in Rente gegangen ist, übernimmt nun Stephanie Trinkl das Amt und erzählt über Freuden und Hürden dieses Berufsfelds.

Viele Jahre der Aus- und Weiterbildung, des Studiums und der praktischen Arbeit in Kindertagesstätten ermöglichen es Trinkl, aus einem großen Schatz an Erfahrungen zu schöpfen und ihn einzubringen. "Ich begann ganz klassisch als Kinderpflegerin", erzählt sie. Obgleich ihr die Arbeit schon immer "große Freude bereitete", stellte sie fest, dass ihr das bisherige Wissen noch nicht reichen würde: "Ich begann die Heilpädagogikausbildung in Markt Indersdorf und studierte später berufsbegleitend Kindheitspädagogik." Heute leitet sie die Frühförderstelle der Caritas in Dachau, eine "sehr emotionale Arbeit", wie sie sagt.

Trinkl tritt in große Fußstapfen und möchte an den Werten Berners anknüpfen. Besonders am Herzen liege es ihr, jedem Kind das Gefühl zu vermitteln "wertvoll" zu sein. Bevor die 50-Jährige aber mit der eigentlichen Arbeit beginnen oder an große Projekte denken kann, befasst sie sich erst einmal mit der Einarbeitung. "Das wird noch eine Zeit dauern", erzählt sie. Denn die Frühförderstelle bearbeite ein "sehr breites Spektrum." Gemeinsam mit dem zwanzigköpfigen Team aus Heilpädagogen, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten arbeitet die 50-Jährige daran, den Kindern in ihrer Entwicklungsentfaltung zu helfen. Sie unterstützen Kinder in deren körperlicher, geistiger, sprachlicher und sozialer Entwicklung. Aktuell erfahren etwa 340 Kinder Hilfe von den Pädagogen. Dabei sei der Austausch unter den Kollegen essenziell, so Trinkl. "Die Kinder leiden an zwei oder mehreren Entwicklungsrückständen. Nur in der Zusammenarbeit können Therapien auch funktionieren." Eine solche Gemeinschaft fand die neue Leiterin in dem bereits existierenden Team. Dies erleichterte ihren Einstieg. "Das Team hat mich sehr herzlich aufgenommen", erzählt sie. Das Team arbeitet aber nicht nur ambulant, zusätzlich gibt es den mobilen Dienst der Fachstelle. "Wir sind in den verschiedenen Kindergärten im Landkreis Dachau unterwegs", erklärt Trinkl. Die Unterstützung ist sowohl an die Bedürfnisse des Kindes als auch die der Eltern angepasst. "Wir sind auch bei den Familien zu Hause, wenn die Umstände es erfordern." Das Konzept funktioniere, so Trinkl. Dadurch dass die Eltern sich freiwillig dazu entschließen, das Angebot der Frühförderstelle für ihr Kind in Anspruch zu nehmen, würden "sowohl Eltern als auch Kinder wunderbar mitmachen und die Therapien sehr gut annehmen", freut sich die Leiterin.

Doch die Corona-Situation erschwert die Arbeit der Frühförderstelle sehr. Derzeit können die Mitarbeiter den Familien nur einen Bruchteil ihres Angebots zur Verfügung stellen. So können aktuell überhaupt keine Gruppenangebote stattfinden. Dies sei besonders schlimm für Kinder, deren sozial-emotionale Entwicklung von den Heilpädagogen gefördert werden soll, so Trinkl. "Die sozial-emotionale Entwicklung kann nur gefördert werden, wenn man mit mehreren Kindern gemeinsam arbeitet. Einzeltherapie funktioniert nicht", erklärt Trinkl. Besonders für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen sei der Austausch in der Gruppe immens wichtig. Aber auch die Angebote für Eltern, etwa in Interaktionsgruppen, die in der Frühförderstelle stattfinden, sind momentan nicht möglich. Für Trinkl und ihr Team wird die tägliche Arbeit dadurch komplizierter. Und es ist auch belastend, nicht zu wissen, ob, wann und wie die Arbeit fortgesetzt werden kann, sagt Trinkl.

Sorgen macht der neuen Leiterin auch der Fachkräftemangel, der in dem Berufsfeld schon seit einiger Zeit spürbar ist. "Es gibt ein Nachwuchsproblem." Grund dafür sei, die umfangreiche und langwierige Ausbildung, meint Trinkl. "Ein Heilpädagoge macht eine fünfjährige Erzieherausbildung und muss anschließend noch die Heilpädagogik-Schule von zwei beziehungsweise vier Jahren absolvieren." Der fehlende Nachwuchs werde sich auch im Landkreis "irgendwann bemerkbar machen." "Menschen, die sich für diese Laufbahn entscheiden, bringen wahnsinnig viel Erfahrung mit, um die Kinder nach bestem Wissen und besten Möglichkeiten zu unterstützen", sagt sie.

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Quelle:
SZ vom 10.03.2021
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