Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Ein erlesenes Publikum

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Halbzeit in der Beuys-Ausstellung: Der Andrang ist überschaubar, aber die Reaktionen sind begeistert

Von "Gregor Schiegl, Dachau

Fünf Besucher drehen am frühen Donnerstagnachmittag die Runde durch die Ausstellung "Blitz und Bienenkönigin". Man kann nicht behaupten, dass die Interimsgalerie im Untergeschoss des Dachauer Kaufhauses Rübsamen überlaufen wäre. Josef Lochner, der gemeinsam mit Dieter Rothe und Gerhard Niedermayr vom Förderverein Wasserturm die erste Beuys-Ausstellung in der Geschichte der Stadt Dachau auf die Beine gestellt hat, ist trotzdem zufrieden. Der Galerist und Sammler weiß, dass Beuys nicht unbedingt ein Massenpublikum anspricht. Aber die, die kommen, sind größtenteils begeistert. "Die Resonanz ist sehr positiv", sagt Lochner. "Viele haben eine solche Ausstellung in Dachau nicht erwartet." Dachau ist zwar Kunststadt, aber eben doch nicht Düsseldorf oder Berlin.

Rund 160 Arbeiten von Joseph Beuys sind in dem umfunktionierten Verkaufsraum bis 18. März ausgestellt, von Multiples wie der berühmten Capri-Batterie bis zu Druckgrafiken von feinsinniger Ästhetik und filigraner Kunstfertigkeit, die Plakatkünstler Heiko Klohn auch geschickt an den Wänden arrangiert hat. "Viele waren von der Atmosphäre und der Hängung begeistert", sagt Lochner. Wie penibel Beuys gearbeitet hat, zeigen die kommentierten Probedrucke, die zuvor noch nie öffentlich ausgestellt waren. Dass dieser schrille und verstörend radikale Avantgardist so eine sensible und zugängliche Seite hat, verblüfft die Besucher. "Die Druckgrafiken haben ihm viele gar nicht zugetraut", sagt Lochner. Ein Besucher sei zwei Stunden da gewesen; am nächsten Tag sei er mit seiner Lebensgefährtin wieder gekommen und erneut lange geblieben.

Solche Momente entschädigen Lochner und seine Helfer für die Mühen, die sie auf sich genommen haben. Und wenn die Ausstellung sich überregional herumspricht, was Lochner doch sehr hofft, kommen sicherlich noch mehr Leute. An diesem Donnerstag waren es insgesamt 80, was schon vergleichsweise viele waren. An den Wochentagen sind im Schnitt bisher immer 20 bis 30 Besucher gekommen, am vergangenen Wochenende waren es 98. Das wissen die Organisatoren so genau, weil am Eingang eine Strichliste geführt wird; ein Strich für jeden Besucher.

Beuys war ein Künstler, der in die Breite der Gesellschaft wirken wollte, einer, der gesellschaftliche Prozesse in Gang setzen wollte. Das ist wohl die Ironie der Geschichte: Heute wird Joseph Beuys von einem eher elitären Kreis des Bildungsbürgertums rezipiert; für die breite Masse ist er bloß der komische Kerl mit der Fettecke, der immer diesen Hut aufhatte. Die Holzkisten-Multiples "Intuition", die er für acht D-Mark das Stück massenweise unters Volks brachte, sind heute kaum mehr unter 700 Euro zu haben. Einen Großteil der Beuys-Werke in Dachau kann man kaufen, und tatsächlich spaziert auch immer wieder jemand mit einer Druckgrafik unterm Arm hinaus. "Es läuft kommerziell ganz gut", sagt Lochner. "Einige Blätter sind schon verkauft." Besonders gefragt sind der kleinformatige "Hase", "Materie" und die "Toten Hirsche", die, obwohl nur in Umrissen gezeichnet, einem geradewegs in die Augen zu blicken scheinen.

Inzwischen war auch Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann in der Beuys-Ausstellung. "Dass das Ehepaar Ursula und Josef Lochner und der Förderverein Wasserturm einen riesigen Aufwand betreiben, um Werke so berühmter Künstler wie Beuys und ein wenig später Markus Lüpertz in Dachau auszustellen, und zwar kostenlos für die Besucher, das verdient große Anerkennung", schreibt er in der neuen Ausgabe des Dachauer Bürgermagazins. "Solche Menschen, solche Macher sind es, die unsere Stadt lebendig machen und sie gesellschaftlich und kulturell bereichern.

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Quelle:
SZ vom 10.03.2018
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