Süddeutsche Zeitung

Asyl:Die Grünen machen einen Rückzieher

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Die Partei wird im Kreistag jetzt doch keinen Antrag auf Aufnahme von Geflüchteten aus Moria stellen

Von Lena Krafft, Dachau

Die Grünen im Landkreis haben eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik vollzogen: Ende September forderten die beiden Sprecher des Kreisverbandes, Karin Beittel aus Günding und Alexander Heisler aus Petershausen, dass der Landkreis Geflüchtete aus dem griechischen Lager Moria aufnehmen solle. "Wir können nicht länger wegsehen", erklärten die neu gewählten Sprecher. Der Landkreis solle ein klares Bekenntnis zur Humanität umsetzen. Dann aber kam es anders: Als auf der Kreisversammlung Martin Modlinger, Sprecher des Grünen-Ortsverbandes Dachau, einen entsprechenden Antrag an den Kreistag formulierte, bekam er parteiinternen Gegenwind. Marese Hoffmann, Fraktionssprecherin der Partei im Kreistag, widersprach.

Marese Hoffmann stimmt in dieser Frage mit Landrat Stefan Löwl (CSU) überein, wenn sie von Symbolpolitik und falscher Zuständigkeit spricht. Der Aussage, es sei genug Platz im Landkreis für Geflüchtete, widersprechen Hoffmann und Löwl übereinstimmend. Er, so der Landrat, wisse momentan nicht, wo man neue Flüchtlinge noch aufnehmen sollte. "Wir kämpfen 365 Tage im Jahr für die Menschen, die bereits hier sind", sagt er und meint weiter: "Momentan ist nichts frei, es müsste dann vielleicht wieder eine Turnhalle beschlagnahmt werden, so wie zu Beginn der Flüchtlingskrise."

Für Landrat Löwl ist der Landkreis in dieser Frage nicht in erster Linie zuständig, sondern erst einmal der Bund und die Länder. Sollte aber ein entsprechender Antrag eingehen, würde er natürlich schauen und durchrechnen, wie man die Aufnahme ermöglichen könne. Allerdings meint er auch: "Die Probleme der Welt lassen sich nicht hier in Dachau allein lösen." Auch die JU-Kreisvorsitzende Julia Grote sagt, es sei nicht richtig, ein europäisches Problem auf die kommunale Ebene abzuwälzen. Dabei hatte auch Grote unter dem Eindruck der humanitären Katastrophe in den Lagern wie Moria und auf anderen griechischen Inseln gefordert, dass auch Kommunalpolitiker tätig werden und auf ihre jeweiligen Parteien im Bundestag einwirken müssten, um eine Aufnahme von Geflüchteten zu bewirken. Deutschland hat inzwischen 1700 Geflüchtete aufgenommen.

Schon weit vor den Bränden und Covid- 19-Ausbrüchen war die Lage in griechischen Lagern unmenschlich und einem solidarischen Europa unwürdig, wie die Grünen übereinstimmend erklärten. "Den geflüchteten Kindern, Frauen, Männern und Familien muss jetzt geholfen werden, alles andere ist für uns Grüne weder mit Menschenrecht noch mit christlichen Werten vereinbar", hatten Beittel und Heisler erklärt. Die Grünen seien überzeugt, dass die Landkreisbewohner menschlich handeln und in dieser Not helfen wollten.

Von der Kreistagsfraktion der Grünen wird es aber wohl keinen offiziellen Antrag an den Landkreis geben. "Der Landkreis ist vollumfänglich seiner Verpflichtung nachgekommen, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht, mehr als manche unserer Nachbarlandkreise", sagt Marese Hoffmann. Dass das die Lage in Moria und auch in anderen Flüchtlingslagern in Ländern am Mittelmeer natürlich nicht ändert, steht außer Frage. Marese Hoffmann hofft deshalb auf den Einfluss ihrer Partei im Europäischen Parlament. Wie sie fordert, muss deutlich mehr bezüglich der Flüchtlingsthematik getan werden, als es bisher der Fall war. Wohl aber eben erst auf europäischer Ebene und nicht von Dachau aus.

Moria beschäftigt noch andere im Landkreis. Die SPD Petershausen fordert zum Beispiel mehr Engagement. Unabhängig von dem parteiinternen Antrag der Grünen veröffentlichten die Sozialdemokraten Mitte September eine Resolution, in der das Vorgehen der Bundesrepublik, erneut 1700 Flüchtlinge aufzunehmen, zwar begrüßt wird, gleichzeitig drängen sie auf weitere Schritte. Die Petershausener SPD sieht die Kommunen schon auch in der Pflicht: Der Landkreis Dachau solle sich deshalb bereit erklären, seinerseits eine angemessene Zahl von Geflüchteten unterzubringen. Allerdings betont der SPD-Ortsverein, dass vorher die vorhandenen Aufnahmekapazitäten überprüft werden müssten.

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SZ vom 06.10.2020
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