Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:Dachauerin kauft falsche Impf-Zertifikate im Darknet

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Eine 55-Jährige muss sich vor dem Amtsgericht verantworten, weil sie sich gefälschte Dokumente heruntergeladen hat. Derzeit häufen sich solche Prozesse.

Von Anna Schwarz, Dachau

Am Dachauer Amtsgericht häufen sich derzeit Prozesse um gefälschte Impfpässe und Impfzertifikate, das berichtet Richter Christian Calame: "Vor allem geht es um komplett gefälschte Impfpässe, also die gelben Heftchen." Zum Teil stecken Fälscherbanden dahinter, wie im Fall der 55-jährigen Dachauerin, die sich am Dienstag wegen Geldwäsche vor dem Amtsgericht verantworten musste.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, im August 2021 zwei digitale Impfzertifikate im Darknet gekauft zu haben und in der Cov-Pass-App auf ihrem Handy hochgeladen zu haben - obwohl sie sich nie gegen das Corona-Virus impfen ließ. Die Kosten für die beiden Fake-Zertifikate: 250 Euro. Hergestellt wurden sie wohl von einer mutmaßlichen Fälscherbande aus München, die in 1500 Fällen falsche Impfzertifikate ausgestellt hat, wie der Staatsanwalt mitteilt. Das Hauptverfahren beginnt im Laufe des Januars am Landgericht München II, angeklagt sind fünf Personen, die zuletzt in München lebten, so ein Gerichtssprecher.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen insbesondere gewerbsmäßige Geldwäsche, Urkundenfälschung sowie gewerbsmäßige Vorbereitung der Fälschung von falschen Impfausweisen in zahlreichen Fällen vor. Als die Computer der fünf Angeklagten durchsucht wurden, kamen auch die Daten der Dachauerin ans Tageslicht.

"Ich verstehe den Vorwurf der Geldwäsche nicht"

Ihr Prozess vor dem Amtsgericht dauert nur rund zehn Minuten: Auf der Anklagebank gibt sie zu, dass sie sich die gefälschten Impfzertifikate auf ihr Handy geladen hat. Nur eines bleibt für sie rätselhaft: "Ich verstehe den Vorwurf der Geldwäsche nicht." Daraufhin erklärt Richter Calame, dass sich der Paragraf zur Geldwäsche ursprünglich nur auf Geld bezog, doch das Gesetz betreffe weitere Bereiche: Grundsätzlich mache sich jemand wegen Geldwäsche strafbar, wenn er zum Beispiel "einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, sich oder einem Dritten verschafft", so steht es im Gesetzestext. Das treffe im Fall der Dachauerin zu, so Calame: "Denn Sie haben ein Zertifikat, das unrechtmäßig hergestellt wurde, erworben", sagt er zur Angeklagten.

Die Dachauerin, Kurzhaarfrisur und Brille, verteidigt sich: "Aber das ist doch jetzt sowieso alles hinfällig, außerdem habe ich das Zertifikat ja nie benutzt." Das spiele keine Rolle, so der Richter. Er schlägt der Angeklagten vor, ihren Einspruch gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts zurückzunehmen, dann bleibe es bei den 90 Tagessätzen à 50 Euro, die im Strafbefehl veranschlagt wurden. Die Gesamtstrafe liege damit bei rund 4500 Euro für die Dachauerin, die rund 1500 Euro netto im Monat verdient. Die 90 Tagessätze seien ohnehin noch eine Strafe "am untersten Rand", so Calame, in solchen Fällen werden für gewöhnlich 90 bis 120 Tagessätze fällig.

Nach dieser Belehrung nimmt die Angeklagte ihren Einspruch zurück. Zum Schluss fragt sie, ob sie ihr Smartphone wieder bekommen könne, auf dem all ihre Daten gespeichert seien; es wurde als Beweismittel von der Staatsanwaltschaft eingezogen. Doch Calame zerschlägt ihre Hoffnung: "Das bekommen Sie nie wieder. Es wird wohl vernichtet werden."

LKA verzeichnet 5500 Anzeigen wegen Urkundendelikten bei Corona-Impfung

Ihr Fall reiht sich ein in eine Vielzahl von Fälschungsdelikten während der Pandemie: Bis vergangenen Februar hat das bayerische Landeskriminalamt mehr als 5500 Anzeigen wegen Urkundendelikten im Zusammenhang mit der Corona-Impfung verzeichnet, darunter sind Fälle von gefälschten Arztstempeln, Impfpässen, Zertifikaten oder Genesenen-Nachweisen. Vor kurzem stand auch ein 18-Jähriger aus dem Landkreis Dachau vor dem Amtsgericht, weil in seinen Impfpass zwei Corona-Impfungen eingetragen waren, die nie stattgefunden hatten. Entdeckt hatte dies ein Dachauer Apothekenmitarbeiter.

Polizeioberkommissar Matthias Kammerer von der PI Dachau erklärt, wie seine Kollegen vorgehen, wenn sie einen Impfpass kontrollieren: Unter anderem werden "sämtliche Eintragungen und Impfstoffetiketten auf deren Plausibilität geprüft, insbesondere Impfdatum, Impfabstände, weitere Impfungen sowie deren Chargennummer", in begründeten Einzelfällen könne eine Kontaktaufnahme mit Ärzten erfolgen. Sämtliche Recherchemöglichkeiten wolle die Polizei aber bewusst nicht offenlegen.

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