Süddeutsche Zeitung

Amperufer:Gefährliches Paradies

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Die Stadtwerke und der Oberbürgermeister werden wegen Baumfällungen an der Amper heftig kritisiert. Es dient dem Hochwasserschutz, lautet deren Antwort. Die Pflanzen hätten nie so hoch wachsen dürfen

Von Benjamin Emonts und Viktoria Großmann, Dachau

Viele Stadtbewohner sind derzeit verdutzt oder auch wütend, wenn sie auf ihren angestammten Wegen entlang der Amper spazieren gehen wollen. Nicht nur, dass die Wege größtenteils durch Straßensperren blockiert werden. Die Dachauer fragen sich auch, weshalb entlang des Flusses so viele Bäume gefällt wurden. Die malerische Amperlandschaft wirkt seither ziemlich karg und trist.

Proteste bleiben bei derartigen Eingriffen in die Natur nicht aus. In diesem Fall aber hat die Stadt Dachau keine andere Wahl, das betonen Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und die Stadtwerke Dachau. Es geht um den Hochwasserschutz. Die 500 gefällten Bäume am Ufer der Amper untergruben die Dämme, sodass die Stadt sich zum Handeln gezwungen sah. "Wir haben keine Alternative", sagt die Pressesprecherin der Dachauer Stadtwerke Cornelia Scheyerl. "Auch wenn die Natur uns wichtig ist - beim Hochwasserschutz hat der Mensch Vorrang."

Die Strecke, auf der die Bäume gefällt oder zurechtgestutzt wurden, beträgt 1,8 Kilometer und reicht vom Kraftwerk Dachau amperaufwärts bis zur Maisachmündung und die Maisach entlang bis zur Brucker Straße. Die Bäume dort habe man jahrzehntelang wachsen lassen, das räumen die Stadtwerke ein. "Ein Skandal", sagt Peter Heller vom Bund Naturschutz in Dachau. "Das Paradies hätte gar nicht so hoch wachsen dürfen." Auch für ihn überwiegt der Hochwasserschutz. Doch er kritisiert, dass zu lange gewartet wurde und nun so radikal gehandelt wird. "Vielleicht wäre es besser gewesen, die Arbeiten über einen längeren Zeitraum zu strecken und die Bäume zumindest teilweise durch eine geeignetere Nachpflanzung zu ersetzen."

Durch Schneelast und starke Winde hebelten die hoch gewachsenen Bäume die Dämme regelrecht auf, erklärt Pressesprecherin Scheyerl. Die Dämme wurden durchlässiger und liefen Gefahr, unter der Last zu brechen. "Das ist dann keinem Menschen mehr recht, wenn er die braune Plörre in seinem Haus stehen hat", sagt Scheyerl. Die Stadt hat nicht alle Bäume dem Hochwasserschutz geopfert. "Wir haben es uns wirklich schwer gemacht und jeden Baum in Absprache mit der Naturschutzbehörde einzeln begutachtet", sagt Scheyerl. Junge Linden und gesunde Eschen blieben erhalten, die Weiden auf der wasserseitigen Böschung wurden gestutzt und zu Kopfweiden entwickelt. Ebenso erhalten bleiben Bäume, "die aus naturfachlicher Sicht erhaltenswert sind", so schreiben die Stadtwerke auf einer Bautafel.

1,2 Millionen Euro für den Hochwasserschutz

Die umfangreichen Arbeiten sind seit Mitte Dezember im Gange. Die Stadt investiert insgesamt 1,2 Millionen Euro in den Hochwasserschutz. Die Maßnahmen betreffen zunächst nur das Nordufer. Auf der Südseite müssen nur "einige, wenige Bäume" gefällt werden, verspricht Scheyerl. Die Wohnbebauung im Süden sei weiter vom Ufer entfernt - und die Auflagen damit geringer.

An der Amperbrücke unweit des Dachauer Freibads hebt ein Baggerfahrer am Montagmorgen das Erdreich auf der Oberseite des Dammes aus. Entlang der ausgehobenen Rinne wird später ein Spezialgerät 4,50 Meter hohe Spundwände aus Baustahl in die Erde hämmern, bis sie noch etwa 30 Zentimeter hinausragen. Dann wird das Ganze mit Kies so weit aufgeschüttet, dass der Damm oben - wie gesetzlich vorgeschrieben - drei Meter breit ist. Die stählernen Spundwände stabilisieren den Damm und verhindern, dass Wasser hindurchtreten kann.

Der Aufwand ist immens, die beauftragte Baufirma arbeitet sich Meter für Meter entlang der Amper vor. Die Kritik einiger Bürger und auch Peter Hellers, zu spät und ungenügend über die Baumaßnahmen informiert worden zu sein, weist Scheyerl zurück. Bereits im Oktober seien sämtliche Dachauer Haushalte über die Zeitschrift In-Kontakt in Kenntnis gesetzt worden; eine Presseerklärung der Stadtwerke folgte Mitte November. "Die Vorwürfe taten uns schon ein bisschen weh", sagt Scheyerl. Auch der Dachauer OB Florian Hartmann (SPD) musste sich Kritik anhören. Der 30-Jährige gilt gemeinhin als Naturfreund. Kurz vor Weihnachten aber kursierte ein Bild im sozialen Netzwerk Facebook, das ihn zu einer Reaktion veranlasste. An einem der zu fällenden Bäume war ein Blatt Papier angebracht: "Sägt lieber am Stuhl vom OB als an mir", stand darauf. Hartmann kommentierte via Facebook: "Wenn halb Dachau vom Hochwasser überflutet wird, dann fragen Sie sofort, warum man nicht die Dämme saniert hat und die Bäume gefällt hat. So eine Entscheidung ist nicht leicht, aber in diesem Fall ist mir persönlich die Sicherheit der Bevölkerung wichtiger." Bis Ende März sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2017
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