Süddeutsche Zeitung

Afrikanische Bildhauerei:Kraft und Wahrhaftigkeit

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Kristin Diehl und Arno Henseler zeigen im Museumsforum Altomünster Skulpturen aus Westafrika. Zu sehen sind sowohl traditionelle als auch moderne Werke

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Kristin Diehl ist "Marketenderin in Sachen Simbabwe-Kunst", wie sie sagt und seit Jahrzehnten von diesem gebeutelten Land fasziniert. Arno Henseler ist Galerist in München und seit Jahrzehnten von Afrika fasziniert. Nun zeigen beide erstmals ausgewählte Skulpturen ihrer Sammlungen in der Ausstellung "Afrika! - traditionelle und moderne Skulpturen" im Museumsforum Altomünster. Am kommenden Sonntag ist die Eröffnung.

Noch ist nicht jedes Objekt so platziert, wie es sich die Sammler wünschen. Doch schon jetzt ist klar: Diese Schau wird eine Entdeckungsreise für Augen, Kopf und Ohren. Letzteres zumindest bei der Vernissage. Denn Mutar Jeiteh aus Gambia sowie Peter Imade und Marcus Omoregie aus Nigeria machen mit ihren Trommeln Afrika hörbar. Die drei Flüchtlinge leben zum Teil seit 2015 in der Marktgemeinde. Für sie ist es seither die erste unmittelbare Begegnung mit künstlerischer Tradition und Moderne ihres Heimatkontinents. Womöglich nicht nur für das Trommler-Trio. Mag sein, dass es dem einen oder anderen Betrachter so ergeht, wie Galerist Henseler in New York. "Schon als Kind habe ich alles aufgesaugt, was mit fremden Kulturen zu tun hat", sagte er der SZ Dachau. Doch er habe "nie den Faden des Anfangs gefunden". Bis er nach New York kam. "Dort ist mir auf Schritt und Tritt Kunst begegnet", sagte er. Was letztendlich dazu führte, dass er 1975 seine Galerie in München gründete und sich auf traditionelle westafrikanische Kunst spezialisierte. Warum? "Mich fasziniert diese ungeheure Kraft und Wahrhaftigkeit. Masken und Fetische weisen allgemein menschliche Bezüge auf. So sind sie für uns nachvollziehbar und verständlich, auch wenn es sich um für uns fremde Kulturen handelt."

Und noch etwas ist ihm wichtig: "Traditionelle afrikanische Kunst beruht auf ernsten lebensbezogenen Inhalten und der Genialität ihrer Künstler." Es sind Künstler, deren Namen niemand mehr kennt. Denn ähnlich wie in unserem Kulturkreis die Ikonenmaler haben sich die unbekannten Künstler an ethnischen, religiösen oder spirituellen Vorbildern orientiert. Wer beispielsweise den Auftrag erhielt, eine neue Maske zu schnitzen, hatte das "Vorgängermodell" vor Augen und dessen Bedeutung und Aussage längst verinnerlicht. So machen die ausgestellten Werke zutiefst menschliche Gefühle sichtbar: eine tiefe Spiritualität, Sorgen und Ängste, Freude und Schicksalsergebenheit, aber auch Ehrfurcht und Respekt vor dem Unerklärlichen.

Kristin Diehls "Weg nach Afrika" begann vor mehr als 30 Jahren eher zufällig. Die Schule im westfälischen Rheine, an der sie Kunst und Mathematik unterrichtete, wollte eine Patenschaft für ein Schulprojekt in Simbabwe übernehmen. Für Diehl war das der Auslöser "mit dem Rucksack durch das Land zu reisen". Und da "bin ich über die Figuren am Straßenrand gestolpert", sagte sie. Zur dauerhaften Finanzierung des Schulprojekts kaufte Diehl moderne Kunst in Simbabwe, verkaufte sie in Deutschland - und wurde zur leidenschaftlichen Fürsprecherin und Mentorin junger Künstler. Sie organisierte Bildhauerwettbewerbe in Simbabwe, "um den Niedergang der Steinbildhauerei dort aufzuhalten". Sie betreibt seit vielen Jahren in Niederroth die Kunsthalle "ConARTz" Und sie holte und holt immer wieder Künstler nach Deutschland, so wie jetzt Itai Nyama.

Einige seiner Werke sind auch in der Altomünsterer Afrika-Ausstellung und aktuell in der ConARTz-Kunsthalle zu sehen. Für Diehl ist Itai Nyama "ein herausragendes Talent unter den jungen Künstlern Simbabwes". Einer, "der sich einem Stein wie ein Zen-Meister nähert", heißt es in einer Begründung für einen der zahlreichen Preise, die der Bildhauer bereits gewonnen hat. Diehl sieht in Itai Nyama aber auch so etwas wie einen Hoffnungsträger. Seien er und seine Kollegen doch nach der "ersten Generation" mit dem weltweiten Hype, den ihre Bildhauerei in den Siebzigerjahren ausgelöst hatte, und dem "Touristenkitsch, den es später an jeder Straßenecke gab" nun wieder Steinbildhauer "mit einem hervorragenden Formgefühl, mit Ausstrahlung und Kraft". Woher diese Kraft kommt, welche Ausstrahlung Tradition und Moderne gleichermaßen haben und wo die Ursprünge der großartigen Kunst Simbabwes liegen könnten, lässt sich noch bis 28. Juli im Museumsforum Altomünster sehen und im ausgezeichneten Ausstellungskatalog nachlesen.

"Af rika! - traditionelle und moderne Skulpturen" im Museumsforum Altomünster. Vernissage am Sonntag, 26. Mai, um 15 Uhr. Öffnungszeiten Donnerstag bis Sonntag jeweils 13 bis 17 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 25.05.2019
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