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Wissenschaft:Wie Smartwatches Corona-Patienten helfen

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Wann sollte ich ins Krankenhaus? Bisher waren Corona-Patienten bei dieser Frage oft mit ihrem subjektiven Gefühl alleine. Der Mediziner Moritz Sinner erklärt, wie man Patienten trotz häuslicher Quarantäne unterstützen kann.

Interview von Julian Limmer

Mithilfe von Smartwatches sollen Corona-Patienten besser einschätzen können, wie ihr Gesundheitszustand während der häuslichen Quarantäne ist. Eine Studie des Klinikums der Ludwig-Maximilian-Universität in München will herausfinden, ob sich dadurch unnötige Krankenhausaufenthalte vermeiden lassen. Studienleiter Moritz Sinner erklärt, wie das funktioniert.

SZ: Smartwatches sollen dazu beitragen, Krankenhäuser während der Corona-Pandemie zu entlasten. Wie soll das funktionieren?

Moritz Sinner: Die Smartwatches helfen, indem sie Covid-19-Patienten nicht bloß mit seinem subjektiven Gefühl alleine lassen - sondern konkrete Messparameter liefern. Die Uhr ist in der Lage, die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung im Blut zu messen. Die Teilnehmer können diese Werte selbst erheben - und dann eine Hotline anrufen, um die Ergebnisse mit Experten zu besprechen. Der Arzt hat dadurch bereits einen Anhaltspunkt, wie es dem Patienten geht, ohne dass dieser die häusliche Quarantäne verlassen muss.

Wie verlässlich sind diese Werte?

Die Qualität lässt sich durchaus mit der von professionellen medizinischen Messgeräten vergleichen. Bei der Sauerstoffmessung kommt exakt die gleiche Technik zum Einsatz wie in Kliniken.

Wie erkennen Sie anhand dieser Werte, ob ein Corona-Patient in die Notaufnahme muss?

Wenn ein Patient Atemnot verspürt und gleichzeitig der Sauerstoff im Blut unter einen kritischen Wert abfällt, ist das ein Anzeichen. Wenn sich das durch tiefes Einatmeten nicht beheben lässt, dann raten wir dem Patienten, ins Krankenhaus zu gehen.

Haben Sie es erlebt, dass Studienteilnehmer zu lange gewartet haben, Sie zu kontaktieren?

Nein. Es gab allerdings Patienten, die wir anhand der Werte mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus geschickt haben. Auf der anderen Seite gibt es Patienten, die haben einen schweren Hustenanfall und fühlen sich schlecht, ihre Messwerte sind aber gut. Diese Patienten kann man dann guten Gewissens zu Hause lassen.

Besteht nicht die Gefahr, dass technische Fehler passieren - und sich Patienten dadurch in falscher Sicherheit wiegen?

Gefährlich ist es nur insofern, wenn ein Patient bei kritischen Werten nicht reagiert. Allerdings versucht die Studie das abzufedern, indem Patienten die Möglichkeit haben, sich durchgehend mit einem Ärzteteam zu besprechen. Es braucht immer eine Kombination aus Messungen und persönlicher Interaktion.

Es sind sehr vertrauliche Daten, die bei der Studie an Sie übermittelt werden. Wie gehen Sie mit Datenschutz um?

Das Thema ist mir persönlich sehr wichtig: Wir überwachen die Patienten ja nicht. Wir sehen nicht, ob ein Patient schlechte Werte hat - und rufen ihn dann an. Sondern die Patienten können sich nur bei uns melden, wenn sie das Bedürfnis haben.

Wo speichern Sie die Daten der Patienten?

Die Daten werden ausschließlich bei uns im Krankenhaus gespeichert - hinter der Firewall der Klinik. Die Untersuchung funktioniert so, dass die Smartwatches keine persönlichen Daten der Teilnehmer enthalten: keine Namen, keine Adressen. Alle erhalten zuvor eine Mail-Adresse, die anonymisiert ist. Es gibt also keine Möglichkeit zu sehen, wer der Patient ist - geschweige denn, ob jemand an anderen Erkrankungen leidet.

Welche Erkenntnisse konnten Sie bisher aus der Studie gewinnen?

Wir haben noch kein endgültiges Ergebnis. Nur eins kann ich sagen: Die Patienten waren alle sehr dankbar, dass sie eine Art von Betreuung an der Hand hatten in dieser Situation, die auch nach einem Jahr für viele noch neu ist - und wenn es nur eine psychologische Unterstützung war.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2021
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