Süddeutsche Zeitung

Münchner Haushalt:Sparen, schieben, streichen

Lesezeit: 3 min

Das grün-rote Rathausbündnis steht wegen der Corona-Krise mit deutlich weniger Geld da als gedacht. Viele Vorhaben stehen deshalb zur Disposition - nicht aber die Verkehrswende.

Von Dominik Hutter

Sparen, das sagt sich so leicht. Im Münchner Rathaus beginnt nun eine Phase, die bei gewählten Politikern ziemlich unbeliebt ist - weil der Zwang zur Minderausgabe den politischen Gestaltungsspielraum einschränkt. Die neue grün-rote Koalition versucht nun, daraus eine Tugend zu machen: Indem sie versucht, mit dem Rotstift politische Akzente zu setzen. "Gestaltend sparen" nennt das der grüne Fraktionsvorsitzende Florian Roth.

Das Gegenteil wäre der berühmte "Rasenmäher", der allerdings als besonders effektiv gilt: eine strikte und weite Bereiche der Verwaltung umfassende Vorgabe, wie viel Geld künftig weniger auszugeben ist. Das wolle man unter keinen Umständen, sagt SPD-Finanzsprecher Christian Köning. Die beiden Partner-Fraktionen haben sich deshalb politische Mitsprache ausbedungen bei der Umsetzung der von Kämmerer Christoph Frey vorgeschlagenen ersten Sparrunde, in der bereits beschlossene, aber noch nicht besetzte Verwaltungsstellen wieder einkassiert werden sollen und der disponible Büro-Etat der Referate um 6,5 Prozent sinkt.

Der Begriff disponibel verrät bereits, dass weite Teile der städtischen Ausgaben nicht einfach kurzfristig zusammengestrichen werden können. Personalkosten und Büromieten müssen weiter bezahlt werden, viel Geld ist seit langem fix verplant. Das gilt für den kompletten städtischen Haushalt - was das Sparen noch schwieriger macht. Finanzexperten schätzen, dass nur etwa fünf bis bestenfalls zehn Prozent eines Kommunalhaushalts für eine Sparrunde in Frage kommen. Der große Rest sind die Gehälter der städtischen Mitarbeiter, notwendige Ausgaben für eine funktionierende Verwaltung und vor allem Durchlaufposten wie die Sozialhilfe, auf deren Höhe die Kommune - obwohl sie die Gelder auszahlt - keinen Einfluss hat.

Beschlossen ist noch nichts. Aber beim Sparen dürfte es auch um die Gasteig-Sanierung,...

...den Tunnel Isarring...

...und die Ruderregattastrecke gehen.

Dass München sparen muss, steht im Rathaus trotz der vom Bund zugesagten Gelder aus dem Konjunkturpaket außer Frage. Die Steuer-Mindereinnahmen dürften sich über Jahre erstrecken, dazu kommen höhere Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Krise und ihrer wirtschaftlichen Folgen. Im Juli will Kämmerer Frey eine Liste vorlegen, auf der die städtischen Investitionen der kommenden Jahre aufgeführt sind. Dann gilt es, Prioritäten zu setzen. Weniger Wichtiges auszusortieren oder zu verschieben. Wobei allein das beliebte Verschieben, das in letzter Konsequenz meistens zu höheren Baukosten führt, nach Einschätzung von CSU-Stadtrat Alexander Reissl zumindest diesmal nicht ausreichen wird. Dazu sind die Herausforderungen zu groß.

Die Gespräche darüber haben bereits begonnen. Grüne und SPD wollen ihre politischen Schwerpunkte möglichst vom Rotstift verschonen: Soziales, Wohnen und Mieten, das Schulbauprogramm, der Klimaschutz und die Verkehrswende. Der Radlring etwa, so Köning, sei tabu. Und natürlich, das ist Roth wichtig, darf nichts zur Disposition gestellt werden, was schon weit fortgeschritten ist: der Neubau des Volkstheaters etwa. Beschlossen haben die Koalitionäre noch nichts. Als Sparkandidaten gelten Projekte wie der Tunnel durch den Englischen Garten, der als typisches Nice-To-Have-Vorhaben gilt. Die seit Jahren immer wieder verschobene Sanierung plus Erweiterung des Stadtmuseums. Die Jutierhalle. Die Sanierung der maroden Ruderregattastrecke. Und der in die Jahre gekommene Gasteig gilt zwar als unentbehrlich für das Münchner Kulturleben. Über Kosten und Ausmaß der Sanierung aber gab es schon vor Jahren heftige Debatten . Vieles, wie die Neugestaltung der Außenfassade, gilt nicht als zwingend notwendig.

Investitionen lassen sich notfalls auch über Schulden zahlen. Für den laufenden Haushalt der Verwaltung gilt das nicht, er muss aus eigener Kraft gestemmt werden. Im Rathaus gilt es als wahrscheinlich, dass die bislang von der Kämmerei vorgeschlagenen Einsparungen im Verwaltungs-Etat auf Dauer nicht ausreichen. Eine Blaupause, wie in den Referaten gespart werden kann, gibt es: 1994 begann die erste Stufe des sogenannten Haushaltssicherungskonzepts (HSK 1), eines auf mehrere Jahre ausgelegten Programms, um die Verwaltungsausgaben im Griff zu behalten. Es folgten HSK 2 bis HSK 6, mit dem 2013 - in finanziell besseren Zeiten und kurz vor der Kommunalwahl 2014 - das Sparprogramm endete. Dabei ging es vor allem darum, mitten im Haushaltsjahr entstehende Mehrkosten, durch Neueinstellungen oder Tarifsprünge etwa, im Zaum zu halten und den Referaten mehr Ausgabendisziplin abzuverlangen. Roth fand die HSK-Runden "nicht so schlecht". Sie hätten den Referaten dauerhaft vor Augen geführt, dass nicht unendlich viel Geld da ist. Dass man mit den Ressourcen klarkommen müsse und nicht, wie in den vergangenen Jahren geschehen, für jede neue Aufgabe auch gleich neues Personal beantrage. Roth geht davon aus, dass es nach wie vor Doppelstrukturen in der Verwaltung gibt, dass noch Luft drin ist.

Anderseits erinnern Finanzpolitiker daran, wie mühsam es war, auch nur zweistellige Millionensummen in einem mehrere Milliarden umfassenden Haushalt einzusparen. Und damit letztlich nur zu erreichen, dass die Ausgaben nicht ganz so stark weiter anstiegen wie sonst. Dass der Haushalt tatsächlich schrumpfte, ist auch in HSK-Zeiten nicht geglückt. Kommunales Sparen ist also relativ. Höchst relativ. Und es verursacht Kollateralschäden. Denn zwar hat die Stadt auch in der Vergangenheit nie beim Neubau von Schulen gespart. Dafür aber beim Unterhalt der bestehenden Bauten. Mit der Folge, dass der Kommunalwahlkampf 2013/14 maßgeblich von einer Debatte über abgerockte Schultoiletten bestimmt wurde.

Hilfreich wären natürlich auch höhere Einnahmen - eine Debatte, die bei den Bürgern als potentielle Zahler eher unbeliebt ist und bislang noch gar nicht begonnen hat. In einem der HSK-Pakete etwa war eine Zweitwohnungs- und eine Übernachtungssteuer enthalten (Letztere wurde jedoch vom Freistaat gekippt). Eine Kommune kann aber auch an der Hunde- oder Grundsteuer drehen, die städtischen Gebühren erhöhen. SPD-Mann Köning kann sich kommunale Anleihen im größeren Stil vorstellen. Dann können die Münchner ihrer Stadt Geld leihen.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2020
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