Süddeutsche Zeitung

Bogenhausen:Wohnen im Stall

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Kalender für den Münchner Nordosten

Zum Teil kommt einem recht bekannt vor, was Karin Bernst an Maßnahmen zur Linderung der Wohnungsnot in München aufzählt: "Dach-Ausbauten, Umnutzung von Fabriken und Kasernen oder die Teilung von Großwohnungen". Dabei schreibt die Bogenhauser Lokalhistorikerin über die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Schon damals platzte die Stadt aus allen Nähten, und es galten Provisorien als zumutbar, die die Bauordnung heutzutage glücklicherweise verbietet: "Bewohnt wurden auch Waschküchen, Autogaragen, Kegelbahnen, Ställe." Der 19. Stadtteilkalender des Vereins Nordostkultur befasst sich also mit einem zeitlosen Thema, dem Wohnen.

Karin Bernst hat einen Spaziergang durch den Münchner Nordosten auf zwölf Kalenderblättern gestaltet. Er führt vom Luxus-Penthouse an der Maria-Theresia-Straße bis in die Denninger "Afrikasiedlung". Deren Straßen wurden nach "verdienstvollen Kolonialpionieren" benannt, wie die Münchner Zeitung zur Zeit des "Dritten Reichs" im August 1934 urteilte. Inzwischen gelten Carl Peters, Hermann von Wißmann und Hans Dominik längst als Rassisten und Kolonialverbrecher.

Bernst erzählt auch die Geschichte des Johanneskirchner Birnbaumhofs. 1856 hatte das Anwesen 107 Tagwerk, "Wohnhaus und Stallung unter einem Dach, Getreide- und Heustadel mit angebauter Heuschupfe, Wagen- und Holzremise". Der Hof wechselte immer wieder den Besitzer, bis das Bauernhaus 1931 abgebrochen wurde. Dann diente das Gelände als Lagerplatz, in einem Gartenhaus war ein Ehepaar untergebracht, dessen Lebensverhältnisse das Wohnungsamt noch 1962 so beschrieb: "Holzverschaltes Riegelwerk ohne Zwischenisolierung, daher nicht winterfest. Der allgemeine Zustand ist schlecht. Die sanitären Einrichtungen sind nur als primitiv zu bezeichnen: Wasserzapfstelle im Vorbau mit Sickerdole, Trockenabort freistehend, Abwasserentleerung auf dem Komposthaufen". 2002 wurden auf dem Areal sechs Reihenhäuser errichtet, die den Johanneskirchner Dorfkern seinen Ensembleschutz kosteten, weil sie das "malerische Ortsbild" empfindlich störten.

Der heimatgeschichtliche Kalender ist am Wochenende auf den Adventsbasaren von St. Lorenz und der Vaterunserkirche in Oberföhring erhältlich. Der Basar in St. Lorenz, Muspillistraße 30, ist am Samstag von 13 bis 17 Uhr geöffnet, am Sonntag von 10 bis 16 Uhr. Der Adventsmarkt der Vaterunserkirche, Fritz-Meyer-Weg 11, kann samstags von 9 bis 13 und 14 bis 18 Uhr besucht werden, sonntags von 13 bis 17 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2018 / ust
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