Süddeutsche Zeitung

Blockade eines Aufmarsches der Rechten:Freispruch für Nazi-Gegner

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Schlappe für Polizei und Staatsanwaltschaft: Das Gericht sieht in der Blockade eines Aufmarsches der Rechten in Fürstenried keinen Gesetzesverstoß.

Bernd Kastner

Der Antifaschist Werner P. ist vom Vorwurf freigesprochen worden, in Fürstenried am 8. Mai vergangenen Jahres rechtswidrig einen Marsch von Neonazis blockiert zu haben. Die Entscheidung des Amtsgerichts bedeutet eine Schlappe für Polizei und Staatsanwaltschaft. Letztere hatte eine Geldstrafe gefordert. Entscheidend für den Freispruch war, dass die Polizei die Nazi-Gegner nicht zum Verlassen der Straße aufgefordert hatte.

Zwar ging es in dem Verfahren lediglich um einen Verstoß gegen das bayerische Versammlungsgesetz, doch der Prozess ist längst zu einem Politikum geworden. Dabei wurde das Brisanteste vor Gericht gar nicht thematisiert, nämlich der Vorwurf, dass die Ermittler mit zweierlei Maß gegen die Nazi-Blockierer vorgegangen seien: Hier etwa ein Dutzend polizeibekannte linke Aktivsten, die angezeigt wurden, dort eine Reihe von Prominenten, die unbehelligt blieben.

Am 65. Jahrestag der Befreiung Deutschlands fand auf Höhe der Asylunterkunft in der Tischlerstraße, wo die Neonazis vorbeiziehen wollten, ein Bürgerfest statt, auf dem Redner wie Oberbürgermeister Christian Ude und seine Amtsvorgänger sprachen. Gegen 18 Uhr, als sich die Rechten langsam näherten, gingen mehrere hundert Menschen auf die Straße, darunter auch der 27-jährige Werner P. Hans-Jürgen Notka, der damals den Polizeieinsatz leitete, schilderte am Montag als Zeuge, dass er zu Beginn der Blockade, als etwa 60 Menschen auf der Straße standen, zu etwa zehn bis 15 von ihnen gesprochen habe. Er habe sie auf ihr strafbares Tun hingewiesen und sie gefragt, ob sie die Straße verlassen würden.

Das hätten die Nazi-Gegner verneint und gesagt: "Dann müssen Sie uns schon wegtragen." Notka erklärte, er habe die Nazi-Gegner nicht zur Räumung aufgefordert, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit habe er vielmehr den Zug der Neonazis gestoppt. Die Blockade wurde in der Öffentlichkeit als Sieg der demokratischen Kräfte gefeiert.

Nicht aber von der Justiz. Die Staatsanwaltschaft variierte ihre Strafforderung im Verfahren gegen P.: Zunächst sollte er im Rahmen eines Strafbefehls 400 Euro zahlen (20 Tagessätze zu 20 Euro). Nach dem ersten Prozesstag wäre die Staatsanwältin mit einer Einstellung des Verfahrens einverstanden gewesen, also null Euro Strafe. Nach dem zweiten Tag nun forderte die Ermittlerin 450 Euro (30 Tagessätze zu 15 Euro). Sie sah eine "erhebliche Störung" einer genehmigten Versammlung. Verteidiger Markus Fischer dagegen hält die sogenannte Blockade für eine spontane und legale Versammlung, weil die Polizei eben nicht versucht habe, sie aufzulösen. Dieser Meinung schloss sich das Gericht im Ergebnis an. Soweit das Urteil.

Was aber ist dran an dem politisch brisanten Vorwurf, die Ermittler hätten die "Großen", sprich: prominente Blockierer laufen lassen und ein paar "Kleine" verfolgt? Der ehemalige Münchner Bürgermeister und jetzige bayerische Verfassungsrichter Klaus Hahnzog etwa sieht einen "eklatanten Verstoß gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze". Er und andere Politiker waren mit auf der Straße, was sie auch öffentlich kundtaten. Am Rande des Prozesses betonte Einsatzleiter Notka im Gespräch mit der SZ, dass die eigentliche Blockade etwas nördlich der Asylunterkunft stattgefunden habe und am Ende auf rund 400 Personen angewachsen sei. In dieser Gruppe habe er selbst keinen Prominenten gesehen, und auch auf dem Polizeivideo seien sie nicht zu erkennen. Politiker seien erst später, als die Polizei etwas südlich davon ein Sperrgitter errichtete, dazugekommen. Zu diesem Zeitpunkt aber sei die Spontan-Versammlung auf der Straße schon legal gewesen.

Soll heißen: Die prominenten Blockierer denken nur, sie hätten blockiert- haben sie aber nicht. Soweit die Polizei.Dieser Darstellung widerspricht Grünen-Stadtratschef Siegfried Benker, der sich selbst angezeigt hatte, aus Solidarität. Er sei "eindeutig" vor Aufstellen des Gitters schon auf der Straße gestanden. Soll heißen: Die Polizei messe eben doch mit zweierlei Maß. Gegen ihn war das Ermittlungsverfahren wegen geringer Schuld eingestellt worden. Vielleicht bringen die nächsten Prozesse Licht in die Geschehnisse von Fürstenried, denn nach Werner P. müssen noch weitere Nazi-Gegner vor Gericht.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2011
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