Süddeutsche Zeitung

Biomedizinisches Zentrum:Mäuse im Dienste der Medizin

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Von Jakob Wetzel

Wer später einmal zu den Mäusen will, der muss zwei Schleusen passieren und dabei doppelte Schutzkleidung anziehen, der muss über ein flaches Schuhregal rutschen und für zwei Minuten in einer Luftdusche stehen. Es darf kein Keim in diese Räume gelangen, das Risiko ist zu groß. Nur eine Unachtsamkeit, und im schlimmsten Fall ist ein Experiment zerstört, ist eine ganze Versuchsreihe wertlos. Und dann wären all diese Tiere umsonst gestorben.

Auf dem Forschungscampus Martinsried nimmt in diesen Tagen das Biomedizinische Zentrum (BMC) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) den Betrieb auf. Nach Angaben der Universität ist es der bundesweit größte Forschungsneubau der vergangenen Jahre, 125 Millionen Euro hat es gekostet, dazu 19 Millionen Euro für die Erstausstattung und größere Geräte.

Es bietet Platz für etwa 500 Menschen, die hier arbeiten sollen, und für Abertausende von Versuchstieren, die im zweiten Untergeschoss in geschlossenen Plastikboxen leben werden, vor allem Mäuse, aber auch Fliegen, Frösche, Zebrafische sowie einzelne Kaninchen und Ratten. Sie werden hier leben und sterben, im Dienste von Wissenschaft und Medizin, und streng abgeschottet von der Außenwelt. Der Umzug läuft bereits: Ein Drittel der Forschergruppen sei schon da, die übrigen folgen bis 2016. Der Tierbereich dagegen, der neudeutsch "Core Facility Animal Models" heißt, ist noch leer. Und so gestattet die LMU einen letzten Blick hinter die Schleusen. Sie will zeigen, wie groß der Aufwand ist, den sie betreibt - auch aus ethischen Gründen.

Die LMU will den Aufwand zeigen, den sie treibt

"Wenn man es macht, dann muss man es richtig machen", sagt Peter Becker. Der mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnete Molekularbiologe leitet die wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft des neuen Zentrums, er selbst forscht an Fliegen. In den vergangenen 15 Jahren hat er das Projekt BMC koordiniert, und natürlich weiß er, wie umstritten Tierversuche sind. In München haben wiederholt Tierrechtler gegen den Bau demonstriert.

Die Zahlen sind tatsächlich enorm: Allein 7000 Plastik-Käfige für Mäuse sollen einmal im Keller des BMC stehen, in ihnen wäre Platz für etwa 20 000 Tiere, sagt Thomas Brill, der Tierschutzbeauftragte des BMC. Aber Becker beschwichtigt: Deutlich mehr Tierversuche werde es deshalb nicht geben. Im neuen Zentrum sollten vielmehr bereits bestehende Forschergruppen und Tierhaltungen gebündelt werden. Die Wissenschaftler sollen ihre Tiere künftig gemeinsam halten und dabei besser zusammen arbeiten können.

Man forscht nicht leichtfertig an Tieren

Grundsätzlich werde auch nicht leichtfertig mit Tieren experimentiert, sagt Peter Becker. Erst würden andere Wege ausgereizt. Im BMC soll an der Funktionsweise von Zellen geforscht werden, um Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Multiple Sklerose besser zu verstehen. Zunächst werde an Zellkulturen geforscht, mit Hefezellen, aber auch mit menschlichen und tierischen Kulturen. Erst wenn man dabei an Grenzen stoße, greife man auf Tiere zurück. Aber wenn, dann müsse man auch ausreichend viele Experimente machen, sagt Becker - sonst komme man nicht zu statistisch brauchbaren Ergebnissen. Und man müsse verhindern, dass sich die Tiere ungewollt mit Keimen infizieren. Denn dann ergebe sich erst recht ein ethisches Problem: Dann müssten die Tiere ohne wissenschaftlichen Nutzen getötet werden. Und deshalb sei bei diesem millionenschweren Neubau die Tierhaltung das komplizierteste und größte Thema gewesen - und das teuerste.

Das Ergebnis sind Schleusen für Menschen, Tiere und Material. Im Tierbereich herrschen konstant 22 Grad, es gibt nach Schutzstufen rot oder grün gefärbte Gänge. Jeder Raum kann mit Wasserstoffperoxid sterilisiert werden, die Luft wird jede Stunde 15-fach ausgewechselt. Und die gesamte Technik ist in ein Zwischengeschoss ausgelagert - wenn etwas repariert werden muss, lässt sich das meist erledigen, ohne den Tierbereich zu betreten. "Jeder Mensch ist ein Hygiene-Risiko", sagt Thomas Brill. In den Tierbereich darf daher künftig nur, wer unbedingt hineinmuss.

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SZ vom 25.09.2015
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