Süddeutsche Zeitung

Berg am Laim:Verzwicktes Vermächtnis

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Die Stadt soll das denkmalgeschützte Mahlerhaus erben und es qua Testament zur Kita umbauen - doch das gestaltet sich schwierig

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Dornröschen würde passen, falls Kinder im Garten an der Baumkirchner Straße 1 ein Märchen aufführen würden - das denkmalgeschützte Haus mit den grünen Fensterläden, Sprossenfenstern, dem Holzbalkon und dem Marienbild in der rechten Ecke des Erdgeschosses steht seit 2016 leer; Büsche und Sträucher wurden nicht mehr beschnitten, sie gedeihen gut. Irgendwann sollen hier jedoch Kinder wachsen und gedeihen und im Garten miteinander spielen. So wollte es die Erblasserin Luise Mahler-Lenz, die 2007 gestorben ist.

Damals war das Haus, das nach seinen früheren Besitzern "Mahlerhaus" genannt wird, noch der Sitz der beliebten Trattoria San Michele; der Pächter und Wirt Salvatore Viscomi verwöhnte im Garten seine Gäste mit Pasta und Wein. Zehn Jahre lang, so hatte es die frühere Eigentümerin verfügt, solle das auch so bleiben dürfen, solle ihr Adoptivsohn und Erbe der Nutznießer des Denkmals sein. Doch im Jahr 2017 solle das Häuschen an die Stadt fallen. Das Vermächtnis war verbunden mit einer Auflage: Hier sollen Mädchen und Buben betreut werden. Die Frau hoffte, dass so der Name Mahler in Berg am Laim geschätzt und präsent bleiben möge.

In einem solchen Fall hat die Erbnehmerin, also die Stadt, drei Jahre Zeit, sich zu entscheiden, erklärt das für Stiftungen und Schenkungen zuständige Sozialreferat. Offenbar war die lange Frist in diesem Fall auch nötig. Die Stadt musste prüfen, ob sich die Auflagen für eine Kita mit denen des Denkmalschutzes vereinbaren lassen, denn es ist ein verwinkeltes Haus mit niedrigen Decken und steiler Treppe; die Toiletten waren bisher auf dem Nachbargrundstück untergebracht. Zudem wachte ein Testamentsvollstrecker darüber, dass das Vermächtnis in allen Einzelheiten erfüllt werden kann. Wie die Pressestelle des Sozialreferats dazu erklärt, habe der Stadtrat zwar im Januar 2019 beschlossen, dass die Stadt das Erbe "grundsätzlich" annehmen und das Mahlerhaus im Sinne des Denkmalschutzes sanieren soll. Details der "sehr komplexen Vermächtniserfüllung", wie es heißt, seien jedoch immer noch abschließend zu verhandeln. Das endgültige Ergebnis muss dann erneut dem Stadtrat vorgelegt werden.

Dies soll in den nächsten Monaten geschehen, wie die Behördensprecherin erklärt. Sollte dies wider Erwarten nicht bis zum Jahresende gelingen, werde das Sozialreferat "natürlich die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten einer Verjährungshemmung nutzen, wobei die derzeit geführten ernsthaften Verhandlungen die Verjährung bereits wirksam hemmen".

So sind in Sachen Mahlerhaus also noch einige Verfahrensschritte, Beschlüsse und Umbaumaßnahmen nötig, ehe in dem Gebäude wirklich Kinder spielen können. Gedanken darüber, ob Krippen- oder Kindergartenkinder betreut werden und wer künftig die Betriebsführung übernehmen könnte - die Stadt, ein freier Träger oder eine Elterninitiative -, hat sich das Sozialreferat daher bislang nicht gemacht. Sicher ist jedenfalls, dass im boomenden Stadtteil Berg am Laim der Bedarf gegeben ist.

Auch in früheren Zeiten haben hier wohl Kinder gespielt. Das Mahlerhaus war einst ein Bauernhof, weiß Stadtteilhistorikerin Christl Knauer-Nothaft. Es war das niedrigste Anwesen auf dem damaligen Bergerl, das Berg am Laim seinen Namen gab. Der Sekretär des Fürstbischofs Clemens August habe es zeitweise als Lehen innegehabt.

Der Bezirksausschuss wird wohl weiter über das Mahlerhaus wachen, gilt es den Lokalpolitikern doch als letztes Zeugnis bäuerlicher Vergangenheit, welches die Anmutung der früheren Dorfstraße wenigstens ahnen lässt. Das Gremium hatte bereits zu Beginn der Diskussion vorgeschlagen, den Garten eigens unter Denkmalschutz zu stellen; so soll verhindert werden, dass die Stadt ihn zubaut, um Auflagen zu erfüllen oder das Projekt rentabel zu machen. Dazu jedoch war das Dornröschenparadies nach Angaben des Planungsreferats nicht herausragend und eigenständig genug.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2020
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