Süddeutsche Zeitung

Berg am Laim:Kultur statt Kraut

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In Berg am Laim soll ein Bürgerhaus am Hachinger Bach gebaut werden. Nach der Standortentscheidung für die St.-Michael-Straße gibt es bereits erste Wünsche. Der Grüne Markt war aus Lärm- und Naturschutzgründen durch das Planungsreferat verworfen worden

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Ein Kulturbürgerhaus mit großzügigem Raumprogramm, eine Terrasse zum Hachinger Bach, viel Platz und Stauraum für die Vereine, drunter eine Tiefgarage. In Berg am Laim beginnen alle, die sich mit Kultur und bürgerschaftlichem Engagement befassen, zu träumen. Immerhin haben diese Fantasien nun einen konkreten Ort, und zwar den heutigen Krautgarten an der St.-Michael-Straße. Diese örtliche Standortentscheidung hatte der Berg am Laimer Bezirksausschuss-Vorsitzende, Robert Kulzer (SPD) in dieser Woche verkündet. Kulzer ist auch Vorsitzender des Trägervereins fürs künftige Kultur- und Bürgerzentrum.

Dieser Standort am Rand des Michaeli-angers nahe dem Bachbett war schon vor rund 30 Jahren im Bebauungsplan festgeschrieben worden - doch Kulturhäuser anderer Viertel genossen in der Stadt stets höhere Priorität. Dann war wieder überhaupt kein Geld da. Die Idee galt als ewige Utopie. Und die Berg am Laimer richteten sich bescheiden und pragmatisch ein in ihren Provisorien wie dem kleinen Vereinsheim an der Berg-am-Laim-Straße, nutzten den Pfarrsaal für all ihre Veranstaltungen.

Als der Bezirksausschuss vor vier, fünf Jahren beschloss, nun doch für den Bau zu kämpfen, geriet ein anderer Bauplatz in den Fokus, der Grüne Markt. Das bestechende Argument: Ein Kulturtempel würde den Kern des Stadtviertels stärken, brächte Synergieeffekte. Auf eigene Faust ließ das Gremium von einem Planer testen, ob das Raumprogramm hier überhaupt Platz fände, was dieser bejahte.

Zwar gab es im Viertel, und vor allem im rührigen Bürgerkreis, immer Befürworter des ursprünglichen Standortes, doch viele freuten sich schon auf Kultur im Zentrum. Eine Machbarkeitsstudie des Planungsreferats aber hat nun festgestellt, dass das Projekt im Zentrum aus Lärm- und auch Naturschutzgründen zwischen den hohen Wohnblöcken und dem grünen Behrpark nicht realisiert werden kann. Kulzer knurrt zwar noch ein wenig: "Eine Verdoppelung der Autozahlen auf der Baumkirchner Straße, wie die Prognose sie für 2030 prophezeit, scheint für die Anlieger zumutbarer als der Lärm von ein paar Leuten, die abends von einer Kulturveranstaltung heimgehen, da muss man sich schon wundern", sagt er. Doch sowohl der Bezirksausschuss wie auch der Trägerverein haben nun beschlossen, die in dem städtischen Gutachten festgehaltenen Befunde anzuerkennen. Man wolle nun auch keinen weiteren Standort ins Gespräch bringen - manche in Berg am Laim hatten auf Kultur in der alten Behr-Villa gehofft -, sondern gemeinsam vorangehen.

In Gedanken freunden sich nun alle ziemlich schnell an mit dem neuen alten Standort an der St.-Michael-Straße, habe der doch schon mal den unschätzbaren Vorteil, bereits in einem rechtskräftig gültigen Bebauungsplan verankert zu sein. Ins Zentrum seien es zwar ein paar Schritte zu gehen, doch dafür habe man hier Platz und sei weit entfernt von Nachbarn.

Anfangs hatte Kulzer stets erklärt, der neue Saal müsse die Bürgerversammlung fassen können, also auch mal 300 oder 400 Menschen. Inzwischen aber sieht er dafür genug Möglichkeiten in den Turnhallen im Viertel. Ein Saal für 200 bis 250 Besucher wäre "alltagstauglicher", dazu Gruppenräume, ein Lager. Und besagte Terrasse zum Bach: Gastronomie sei ganz wichtig, findet Kulzer. Die Stadt werde nun hoffentlich Schritt für Schritt zügig weitermachen: Stadtratbeschluss, Architektenwettbewerb, Baustelle. Berg am Laim habe den Bedarf, denn der Stadtteil wachse von heute 45 000 auf 60 000 Bewohner im Jahr 2030, müsse Neubürger integrieren. Und es gebe immer weniger Gaststätten mit Nebenräumen für Vereinstreffen. Er bekomme heute schon Anfragen, ob man denn im Kulturhaus auch Hochzeiten feiern könne.

Einen Wermutstropfen hat die Standortentscheidung insofern, als dieser Platz nun nicht im Umgriff des Städtebauförderungsprojekts Soziale Stadt liegt, es sind also keine Fördergelder von Bund oder Land zu erwarten. Zudem fällt der Zeitdruck weg, den die geringe Restlaufzeit der Sozialen Stadt erzeugt hätte. Kulturreferatssprecherin Jenny Becker legt sich denn auch noch nicht auf einen Zeitplan fest: Nun müssten das Planungs-, das Kommunal- und das Baureferat prüfen, was am Michaelianger genau machbar sei.

Andreas Greiner, Vorsitzender des Bürgerkreises, zu dem unter anderem die Künstlergilde und die Theatergruppe Artanos gehören, stellt sich darauf ein, dass noch ein paar Jahre ins Land gehen, ehe sein Verein ins Kulturbürgerhaus umziehen kann. Er findet gut, dass es nun auf den Weg gebracht wird, denn das Vereinsheim platzt aus allen Nähten und es wird gemunkelt, dass die Kirche den Pfarrsaal aufgeben könnte, um den Kindergarten zu vergrößern. Doch man werde nun wohl Zeit haben, die Modalitäten zu diskutieren. So finde er etwa eine Gastronomie im Haus problematisch, denn viele Besucher störe der Zwang, Getränke bei einem Wirt kaufen zu müssen. Die Berg am Laimer seien gewöhnt, sich selbst zu engagieren und um alles zu kümmern. Aber auch der Bürgerkreis hat Träume: Er hat laut Greiner schon die ersten Euros zurückgelegt, um im Kulturbürgerhaus eine "Heimatstube" einzurichten, in der endlich das Stadtteilarchiv seine Schätze präsentieren könnte.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2017
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