Süddeutsche Zeitung

Beliebtes Getränk, ungewöhnlicher Ort:Wladibier: Put in!

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Im Jüdischen Museum geht es einen Abend lang um Bier aller Art

Von Franz Kotteder

Was hat Bier im Jüdischen Museum zu suchen? Sehr viel, stellt sich bald heraus. Das digitale und teils auch gedruckte Stadtmagazin Mucbook hat zu "Creating Craft Bier" in das Haus am Jakobsplatz geladen, um im Rahmen der "Munich Creative Business Week" Design-Geschichten übers Bier zu erzählen. Mucbook-Chef Marco Eisenack ist als Erstes mal verblüfft über den Andrang: "Ohne Werbung, zehn Euro Eintritt - und dann ist die Veranstaltung schon Tage vorher ausverkauft, das gibt's nicht oft."

Bernhard Purin, der Direktor des Jüdischen Museums, erklärt dann, warum das Thema sehr viel mit seinem Haus zu tun hat. Schließlich hat der Freiherr von Hirsch, der als erster bayerischer Jude in den Adelsstand erhoben wurde, im 19. Jahrhundert vor den Toren der Stadt, in Planegg, als Erster damit begonnen, Bier industriell herzustellen. Purin: "Das war eine Musterbrauerei für ganz Europa." Hermann Schülein, ein anderer berühmter Münchner Jude, war nicht nur Direktor der Brauerei Unionsbräu, die später mit Löwenbräu fusionierte. Schülein machte Löwenbräu zu größten bayerischen Brauerei und musste 1935 vor den Nazis ins Exil flüchten. Dort, in New York, gründete er die ebenfalls sehr erfolgreiche Rheingold-Brauerei.

Und heute? "Ich war gerade in Tel Aviv", berichtet Purin, "am Strand steht ein Sonnenschirm nach dem anderen, der für Weihenstephaner Weißbier wirbt". Die bayerische staatliche Brauerei kommt in Israel offenbar gut an. "Das hat wohl der Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle eingefädelt", mutmaßt Purin, "der war als Kultusminister ja mal für Weihenstephan zuständig".

Weniger international sind die sechs kleinen Brauereien aus München und der Region, die sich danach vorstellen. Auch wenn Dump Beer vom Chiemsee mit den Slogans: "Make beer great again", "Beer first!", "Zwitscher dir eins!" sowie der Marke Ronald Dump einen eindeutigen, nun ja: Werbeträger haben. Zur Ergänzung gibt es Wladibier, Motto: "Put in!" Das Sortiment ist ausbaufähig, sagen die Initiatoren, denn: "Despoten und Populisten sterben niemals aus." Um einiges ernsthafter dann die anderen kleinen Brauer, vom Isarkindl über Brewheart, Yankee & Kraut und der ersten Münchner Biobrauerei Haderner Bräu bis zum Giesinger Bräu.

Der Fotograf Volker Derlath liest dann noch ein paar Höhepunkte aus seiner Anthologie der Bierlyrik "Sei mir gegrüßt, Du Held im Schaumgelock", benannt nach den Anfangszeilen eines Gedichts von Paul Heyse. Flankiert werden die lyrischen Ergüsse von Goethe bis Gernhardt mit Fotos von Derlath, die Auswirkungen des Biergenusses eindrucksvoll zeigen. Dann endlich ist Zeit für praktische Übungen mit den Erzeugnissen der Craft-Brauer. Design und Hintergrundgeschichten spielen von nun an aber keine große Rolle mehr.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2019
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