Süddeutsche Zeitung

Bar Sehnsucht:Unterwäsche gegen Kräuterlikör

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Frauen können mit ihrem BH bezahlen: Die "Sehnsucht" macht auf rockige Kneipe und bietet dafür vier Jägermeister. Vor allem Studenten mögen die Bar in der Amalienstraße - wegen der moderaten Preise. Richtig wild geht es dort trotzdem nie zu.

Von Christiane Lutz

Frauen ziehen ihre BHs ja meist nicht einfach so in der Öffentlichkeit aus. Auch nicht in einer etwas heruntergekommenen Bar im Schummerlicht. In der Bar Sehnsucht in der Maxvorstadt aber arbeiten die Barkeeper unter einem wahren Himmel aus ausgezogenen Büstenhaltern, wattiert, unwattiert, mit Spitze, abgewetzt, scheinbar neu. Jeder einzelne von seiner Trägerin aufgehakt, unter dem Oberteil rausgefummelt und aufgehängt. Denn in der Sehnsucht gilt: ein BH gegen vier Jägermeister. (Dass vier Jägermeister in der Sehnsucht acht Euro kosten, ein ordentlicher BH in der Regel aber das vierfache, spielt bei diesem Spitzenwitz natürlich keine Rolle.)

Es mag ein etwas pubertäres Konzept sein, Unterwäsche gegen Kräuterlikör zu tauschen, aber es funktioniert. Offensichtlich so hervorragend, dass, so die Barkeeperin, sogar schon BHs abgehängt werden mussten, um Platz für neue zu schaffen. Ein gewisser grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Alkohol und anschließendem Ausziehen ist schließlich auch unbestritten.

Dem Publikum gefällt das. Und das Publikum der Sehnsucht besteht hauptsächlich aus Studenten oder Menschen, die wie solche aussehen. Die Kneipe liegt am südlichen Ende der Amalienstraße, etwas ab vom Schuss, aber noch in Uni-Reichweite.

Ein üblicher Abend sieht dort so aus: An der Bar knutscht ein junges Pärchen zärtlich und völlig unbeirrt, kleine Gruppen lümmeln auf den zusammengetragenen Couches und Kinosesseln. Die Wand ist mit Reifengummi verkleidet, an einer Stelle hängt ein echtes Motorrad, Bilder von nackten Frauen gibt es sowieso.

Die Lautstärke der Rockmusik ist, dem Wochentag angepasst, mäßig laut. Die Sehnsucht möchte eine rockige Kneipe sein und tut alles dafür, als solche rüberzukommen (ihr Logo: ein auf Werkzeug platzierter Motorradreifen mit Flügeln). Richtig wild wird es aber nie, richtig rockig auch nicht.

Macht nichts, kann man durch, nun ja, herben Charme an der Bar wettmachen: "Hallo, ich hätte gern ein Astra." "Astra ist aus", sagt die Barkeeperin. "Ähm. Gut. Dann einen Cocktail?" "Nee. Cocktails haben wir nicht. Nur Longdrinks." "Was würdest du mir denn zu trinken empfehlen?" "Eigentlich nichts." Gut, nimmt man halt ein Becks, kostet drei Euro. Studenten lieben die Sehnsucht für eben dieses Unbemühte und dafür, dass es so schön unmünchnerisch zugeht. Mehr solcher Läden sollte es geben, sagen sie, ja, unbedingt.

An den Wochenenden ist die Kneipe rammelvoll, die Preise sind moderat. Dass der Sprizz etwas eingeschlafen schmeckt? Geschenkt. Wird hier ohnehin kaum bestellt. Schon eher Gin-Tonic, und der hat einen sagenhaften Gin-Anteil - eben so, wie sich das für eine ordentliche Studentenkneipe gehört.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2013
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