Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Zeit des Aufbruchs

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In der Diplomausstellung 2018 stellen sich die Absolventen der Münchner Kunstakademie mit selbstgewählten Themen vor. Jetzt hängt es von Talent, Kontakten und Durchsetzungsvermögen ab, wie der Schritt ins Berufsleben gelingt.

Von Jürgen Moises

Eine Treppe, die ins Nichts führt. Daneben eine Metallleiter und am Boden eine liegende Figur, die wie ein Schwimmer oder Turmspringer aussieht. Eine Aufforderung, den Absprung zu wagen? Und sich freizuschwimmen von dem, was das Leben die letzten Jahre geprägt hat? Diese Assoziation stellt sich zumindest ein bei der Objekt-Installation von Gaisha Madanova, die in der diesjährigen Diplomausstellung in der Akademie der Bildenden Künste in München zu sehen ist. Denn den Sprung ins Offene, den müssen nun die rund 80 jungen Künstlerinnen und Künstler wagen. Wie und wo sie landen werden, hängt von den verschiedensten Faktoren ab. Dem Talent und Durchsetzungsvermögen. Den selbstgewählten Arbeitsmedien und Themen. Dem, was ihnen von Dozenten mitgegeben wurde oder was sie sich selbst inner- oder außerhalb des Transitraums Akademie aufgebaut haben.

Während sich Laurentius Sauer, keine schlechte Idee, einen Hochsitz als Refugium geschaffen hat, erfährt man von Viola Relle und Raphael Weilgungi, dass sie seit Kurzem in München ein Atelier haben. Darin wird demnächst ein 12 000 Euro teurer Brennofen stehen. Denn Relle und Weilgungi arbeiten als Duo mit Keramik, auf eine originelle und experimentelle Weise, bei der es tatsächlich Schade wäre, würden sie diese nicht weiterführen. Nur das entsprechende Equipment braucht man eben. Und weil man es als Keramikkünstler in München eher schwer hat, wollen sie ihre Atelierwerkstatt für andere Künstler öffnen. Das könnte etwa Hell Gette aus der Klasse Oehlen sein, die neben Malerei auch Keramikarbeiten zeigt. Wobei sie erzählt, dass auch sie ihr eigenes Atelier hat, und zwei Mäzene, die es finanzieren. Gute Kontakte und Beziehungen, so etwas kann ebenfalls nicht schaden.

Die Motive, die Hell Gette aufgreift, stammen vorwiegend aus der digitalen Welt. Dazu gehören die verpixelten Alienköpfe aus dem Videospiel "Space Invaders" und Emojis. Also Smileys und andere Piktogramme, die in der Handy- und Social-Media-Kommunikation für Worte oder Gefühle stehen. Gette bringt diese in die analoge Welt. Und als Kunsthistoriker könnte man sich nun fragen, inwieweit die Emojis in der Tradition der Embleme oder der Bildsymbolik des Barock stehen. Wie sich digitale und analoge (Bild-)Welt zueinander verhalten, das ist auch bei anderen Diplomanden Thema. Etwa bei Michael Schmidt, der reale mit animierten Landschaften konfrontiert, oder Susanne Zolotuhina, die mit der Ästhetik des kaputten Bildschirms arbeitet. Auf vieren davon ist in verfälschten Farben ein nackter Männerkörper zu sehen. Ein klassisches, antikes Motiv, das hier optisch aber an Wärmekamerabilder erinnert.

Gülbin Ünlü greift Teppich- und Stoffmotive auf. Die Stoffe hat sie eingescannt, mit einem Tintendrucker ausgedruckt und mit Wasser weiterbearbeitet, so dass sie wie Porträtbilder aussehen. Fridolin Kleie hat Familienfotos als Vorlagen genutzt, hat ausgesuchte Gesichter davon ausgedruckt und sie als Masken für neue Porträtfotos verwendet. Deren verschwommene Schwarzweißästhetik lässt an die Frühzeit der Fotografie denken, hat aber auch etwas Gespenstisches. Das gilt auch für die Videos von Felix Kruis und Tobias Brenner, die mit Horrorfilmmotiven spielen. Kruis hat einen "Heimatfilm" gedreht, über einen Mann, der in Bad Tölz strandet, zum Monster wird, von den Menschen angebetet und dann gejagt wird. Brenner versteht seinen Film über einen narzisstischen "Täter" als Männlichkeits-Kritik.

Vom Spiel mit Filmformen und -zitaten sind auch andere Werke geprägt. Stela Vula lässt animierte "Parasiten" über die Wände kriechen, deren Körpermuster sie aus Flaggen und anderen Nationalsymbolen gebildet hat. Bei Bianca Kennedy gibt es Badewannenszenen. Aus der Erkenntnis heraus, dass es sich bei diesen oft um Wendepunkte handelt, hat sie aus zusammengeschnittenen Filmszenen eine Art Lebenszyklus kompiliert. Außerdem kann man mit einer Virtual-Reality-Brille in eine gezeichnete Badezimmerwelt eintauchen. Melanie Haunsberger hat für ihr Alter Ego Mela Feigenbaum aus Found Footage und eigenen Szenen einen Filmkosmos kreiert, der an Regisseure wie Guy Maddin (Optik), Peter Greenaway (Musik) und Wes Anderson (Humor) erinnert. Von ihren Helfern erfährt man, dass Feigenbaum, die auch schon in einem Klaus-Lemke-Film mitgespielt hat, im Netz sehr viele Follower hat.

Malerei, Skulptur und Zeichnung sind als Disziplinen ebenfalls vertreten. Etwa bei Lola Sprenger, die großformatige Landschaften mit Pastellkreide, also fast "purem Pigment" geschaffen hat. Die skulpturalen Blöcke von Andrea Zabric bestehen tatsächlich aus reinem Pigment, während Michael Mieskes Zusammenstellung von Stein-, Glas- oder Metallobjekten etwas von einem Musterbuch hat. Hier hat die akademische Reise also gewissermaßen zu den Ursprüngen zurückgeführt. Catalin Pislaru wiederum hat schwarze Linien auf Tischtennisplatten angebracht. In der Überzeugung, dass Landschaft, Architektur, im Grunde alles Zeichnung ist und diese also überall sein kann. Aus Sicht eines Zeichners, der die Akademie demnächst verlässt, klingt das irgendwie nach einem sehr tröstlichen Gedanken.

Diplomausstellung 2018 , bis 11. Februar, Akademie der Bildenden Künste, Akademiestraße 2-4.

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SZ vom 07.02.2018
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