Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Weiche Fäden für harte Fälle

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Margret Eicher und Beate Passow überführen mit "Lob der Malkunst" und "Monkey Business" im Museum Villa Stuck die alte Gobelin-Teppichkunst in zeitgenössische Ausdrucksformen

Von Evelyn Vogel

Wer Lust hat, den Altar der Sünde in der Villa Stuck mal von seiner rückwärtigen Seite zu erkunden, hat jetzt die vermutlich einmalige Gelegenheit dazu. Dank Corona-Wegeregelung verlässt man derzeit die historischen Räume des Hauses - sofern man nur für dort ein Ticket erworben hat - durch das Alte Atelier Franz von Stucks, indem man durch eine Seitentür des Altars in dessen Inneres vordringt und von dort ins Treppenhaus gelangt. Wer sich allerdings die Sonderausstellungen "Lob der Malkunst" von Margret Eicher und "Monkey Business" von Beate Passow anschauen will, fängt hier erst an - mit Eichers zeitgenössischen Tapisserien im Alten Atelier.

Die hängen dort über den Stuckschen Gobelins. Wer nun aber Frevel vermutet, darf sich wieder einkriegen. Denn bei der Renovierung der Räume vor etlichen Jahren wurden die Originale aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustands ins Depot verbracht, nachdem man sie gescannt und die Motive auf Stoff gedruckt hatte. Die Riesendinger sind also schlichtweg Fakes. Wie übrigens auch der ganze Stucksche Marmor, der nur aus Gips ist, und manch anderes, das nur aus koloriertem Pappmaché besteht.

Und um Reproduktionen und Fakes geht es inhaltlich auch bei Eichers teils farbig, teil schwarz-weiß ausgeführten Teppichen. Während die Materialität so echt wie nur irgend möglich ist, denn die Wandteppiche wurde von einer ehrwürdigen belgischen Weberei gefertigt. Thematisch kombiniert Eicher kunsthistorische mit teils gesellschaftskritischen, vor allem aber wilden popkulturellen Zitaten.

Da reicht Scarlett Johansson im titelgebenden Werk "Lob der Malkunst" umgeben von zeitgenössischen Bilder-Fakes und Hashtags den modernen Malerfürsten Gerhard Richter und Martin Kippenberger den Lorbeerkranz. Umgeben von Ninja Turtles wird Julian Assange zum "Agent Assange", Madonna gebärdet sich als comicverdächtige "Assunta" und die schwangere Beyoncé bekanntermaßen als Botticelli-Venus. Vollständig trashig wird's bei der "Stadt der Frauen" und bei den "Fünf Tugenden" - eine Bild gewordene Macho-Vorstellung von willigen Hausfrauen. Wären da nicht die ironischen Brechungen und gesellschaftskritische Themen wie in "Göttliche Liebe" (nach einer Plakatwerbung der Berliner Verkehrsbetriebe) oder dem "Großen Rasenstück" nach Dürer (eine Leihgabe des ZKM Karlsruhe), man würde sich in der von Eicher verarbeiteten Endlosschleife der digitalen Bildwelten verlieren. Eindrücklich übrigens dargestellt im ehemaligen Badezimmer.

Ganz anders Beate Passow. Der Titel ihres in Schwarz-Weiß gehaltenen Bildzyklus' "Monkey Business" klingt zwar niedlich, die Themen der auf eine Ausstellung im Augsburger TIM zurückgehenden Tapisserien sind aber hoch politisch. Passow greift zahllose gesellschaftliche Missstände in Europa auf. Flüchtlingspolitik, Rechtsruck, Antisemitismus, Klima- und Atomdebatte, Geldpolitik bis hin zum Brexit - so hart ist ein so weiches Material wie ein Wandteppich selten dahergekommen.

Übrigens: Nicht nur in den oberen Stockwerken wurden die Rundgänge klar definiert, um die Abstandsregeln einzuhalten. Auch in den historischen Räumen unten gibt es augenblicklich eine Corona-Einbahnwegeführung. So betritt man - ganz im Sinne des Hausherrn - erst einmal das Empfangszimmer, gelangt dann durch die Bibliothek und das Boudoir in den Speisesaal mit angrenzendem Raucherzimmer und verlässt die historischen Räume über das Musikzimmer. Ganz nebenbei hat dieser veränderte Rundgang zur Folge, dass man den Möbeln Franz von Stucks so nah kommt wie nie zuvor. Wenigstens eine positive Seite der Corona-Einschränkungen.

Margret Eicher: Lob der Malkunst, und Beate Passow: Monkey Business, Museum Villa Stuck, Prinzregentenstr. 60, bis 13. Sep., Di.-So. 11-18 Uhr

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SZ vom 22.05.2020
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