Süddeutsche Zeitung

Arnulfpark:Immer knapp bei Kasse

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Die "Bildungsinsel" ist ein erfolgreiches Kinderbetreuungs- und Integrationsprojekt. Doch das Finanzierungskonzept des Stadtrats macht es den Trägern schwer. Für dieses Jahr helfen die Stadtviertelvertreter mit einem Zuschuss aus

Von Stefan Mühleisen, Arnulfpark

Zuletzt stand das Kinderbetreuungs- und Integrationsprojekt "Bildungsinsel" im Nachbarschaftstreff Arnulfpark mangels Geld auf der Kippe - nun sichert der Bezirksausschuss Maxvorstadt der Initiative mit einem Zuschuss von rund 9750 Euro aus seinem Budget den Fortbestand für das laufende Jahr - die zukünftige Finanzierung bleibt jedoch weiter offen. Der Fall wirft dabei ein Schlaglicht auf die offenbar weiter angespannte Lage der Nachbarschaftstreffs in der Stadt und zeigt, dass die Träger Mühe haben, mit den geltenden Förderrichtlinien ihr soziales Angebot zu bestreiten. "Nach wie vor ist die personelle Ausstattung der Nachbarschaftstreffs ein Witz und dem Anspruch überhaupt nicht angemessen", sagt Johannes Seiser, geschäftsführender Vorstand des Vereins für Sozialarbeit, Träger des Nachbarschaftstreff Arnulfpark und des "Bildungsinsel"-Projekts.

Die finanzielle Situation der "Bildungsinsel" nimmt Seiser zum Anlass, die Kritik aller 39 Träger der Münchner Nachbarschaftstreffs an der Novelle des städtischen Zuschussmodells im Sommer 2015 zu erneuern. Der Stadtrat hatte damals ein standardisiertes Subventionspaket beschlossen. Zuvor hatten die Projekte eine befristete Anschubfinanzierung erhalten, um im Anschluss in ehrenamtlicher Selbstverwaltung weiterzulaufen. Das Sozialreferat räumte auf Grundlage einer sogenanten Wirkungsanalyse ein, dass die Nachbarschaftstreffs "für die Stadtgesellschaft von großer Bedeutung" seien, mithin der Erfolg der Einrichtungen aber ohne dauerhaftes professionelles Management der ehrenamtlichen Arbeit gefährdet sei.

Konkret bewilligte der Stadtrat für jeden Treff eine halbe Stelle sowie Honorarmittel für die Raumverwaltung von jeweils 10 000 Euro. Die Konsequenz: Projekte, die über den allgemeinen Standard hinausgehen, bekommen kein Fördergeld mehr. "Diese Sicherung der Arbeitsfähigkeit von Nachbarschaftstreffs wird jedoch mit dem diesjährigen Grundsatzbeschluss teilweise nicht mehr gewährleistet", beschieden die Treff-Träger damals in einer Erklärung den Stadtrat. "Und daran hat sich nichts geändert", sagt Seiser heute, dessen Verein derzeit zehn Nachbarschaftstreffs in der Stadt betreibt. Der Jahresetat muss nach seinen Angaben zu zehn Prozent aus Spenden und Stiftungsmitteln finanziert werden. Die Aufgaben seien überdies noch umfänglicher geworden, als Beispiel nennt er die "Bildungsinsel" im Arnulfpark.

Bei dem Lern- und Integrationsprojekt erklären sich sogenannte Bildungspaten bereit, sich einmal in der Woche um Kinder mit individuellem Förderbedarf zu kümmern. Derzeit betreuen die ehrenamtlichen Helfer 16 Grundschulkinder, allesamt aus Migrantenfamilien, die teils von der Helmholtz-Grundschule im Viertel vermittelt werden. "Im Vordergrund steht meistens, dass sie Deutsch lernen", sagt Sabine Ullrich, die Leiterin des Nachbarschaftstreffs, zugleich Koordinatorin der "Bildungsinsel". Der spezielle Ansatz: Die Kinder bekommen nicht nur klassische Nachhilfe. "Sie sollen lernen, sich selbst zu organisieren und am sozialen Leben teilzunehmen", sagt Ullrich. So bekommen die Kinder etwa ein Rezept zu lesen und sollen das Gericht auch sogleich kochen; oder die Lektion besteht darin, eine Bastelanleitung in die Tat umzusetzen. Einmal in der Woche treffen sich alle zu einer Gruppenstunde und unternehmen Ausflüge. "So lernen die Kinder München kennen." Ullrich macht indes deutlich, dass sie dies zusätzlich zum ohnehin schon ambitionierten Angebot des Nachbarschaftstreffs zu stemmen hat. Und, dass sie selbst und die betroffenen Familien jedes Jahr aufs Neue bangen, ob das Geld ausreicht.

"Die Bildungsinsel ist sehr erfolgreich", sagt ihr Chef und Vereinsvorstand Johannes Seiser. Doch die Organisation sei sehr aufwendig, dabei aber dem tatsächlichen Bedarf im Quartier geschuldet. "Der Stadtrat verweigert jedoch eine inhaltliche und sachliche Auseinandersetzung", sagt er und berichtet: Die Fraktionen von SPD und CSU im Rathaus hätten die gemeinsame Eingabe der Träger vor drei Jahren, die Fördergelder aufzustocken, "schlichtweg ignoriert". Nach Seisers Meinung wäre eine volle Stelle für jeden Nachbarschaftstreff angebracht. Zudem dringt er darauf, die strenge Zweckbindung der Honorarmittel aufzuweichen. Die Treff-Betreiber dürfen das Budget von 10 000 Euro nicht zur Querfinanzierung von Projekten verwenden; es ist vorgeschrieben, das Geld nur für Kosten der Raumverwaltung herzunehmen.

Beistand erhält der Verein nun vom Bezirksausschuss: Das Lokalgremium appelliert an die Stadt, die "Bildungsinsel" im Jahr 2019 aus dem Fördertopf des Sozialreferats herauszunehmen und in die Zuschussnehmerdatei des Referats für Bildung und Sport zu verlegen. Das Sozialreferat teilt unterdessen mit, dass das Integrationsprojekt zuletzt mit Restmitteln für Sonderleistungen unterstützt wurde. Man werde nun prüfen, ob diese weiterhin zur Verfügung stünden, hieß es von der Behörde.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2018
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