Süddeutsche Zeitung

Offene Türen:Kleine Wohnung, große Wirkung

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Bei den Architektouren am Wochenende können Interessierte neue Stadtquartiere, sanierte Firmenzentralen und auch ganz private Reiche besuchen. Eine Auswahl.

Von Alfred Dürr

Architektenbüros haben in der Regel den Anspruch, für ihre Kunden ein praktisches und schönes Wohlfühl-Haus zu planen. Das Produkt präsentieren sie gern in ihrem Projektkatalog oder führen es mit gewissem Stolz bei Veranstaltungen wie den Architektouren vor. Eher ungewöhnlich ist, dass ein Architekt Einblicke in seine eigene, von ihm gestaltete Wohnung bietet. "Bei mir zu Hause ist es sehr klein" lautet das Motto, unter dem Rolf Berninger und seine Frau in ihr 57 Quadratmeter großes Heim im Erdgeschoss des Rückgebäudes in der Dreimühlenstraße 24 einladen (Sonntag, 11 bis 17 Uhr).

"Auch aus etwas sehr Kleinem kann man was großzügig Wirkendes machen, das wollten wir mit unserer Wohnung demonstrieren", sagt Berninger. Mit einem Durchbruch und viel Liebe zu Ausstattungsdetails wurde der Anspruch eingelöst. Vor allem ging es um eine möglichst perfekte Raumausnutzung. Das zeigt sich etwa bei der Gestaltung der Küchenzeile. "Man macht keinen einzigen Schritt und hat Lebensmittel, Geschirr und Küchenwerkzeuge perfekt im Griff", sagt Berninger. Er will auch vorführen, wie man im Bad mit "kleinen Konstruktionstricks" oder besonderen Fliesen außergewöhnliche Wirkung erzeugen kann. Rolf Berninger arbeitet im Büro Fthenakis Ropee GbR (mit Susann Weiland und Alexander Fthenakis).

Von der kleinen Wohnung im Dreimühlenviertel zum neuen Stadtquartier in Schwabing: Seit vergangenem Februar sind alle Gebäude entlang der Leopoldstraße 150 - 184 bezogen und man kann sich einen guten Gesamtüberblick verschaffen (Sonntag, 11 Uhr, Treffpunkt an der Tram-Haltestelle Schwabinger Tor). Das Grundkonzept für das neue Viertel auf dem ehemaligen Areal des Metro-Großmarkts und des Hotels Holiday Inn wurde 2007 von dem Münchner Büro 03 Architekten mit Andreas Garkisch, Karin Schmid und Michael Wimmer entworfen. Die Gestaltung der Freiflächen stammt von dem Freisinger Büro ver.de Landschaftsarchitektur. Verschiedene Architektenteams (Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht, Hild und K, Max Dudler und 03 Architekten) haben abwechslungsreiche Gebäude von ganz unterschiedlicher und sehenswerter Ausprägung entworfen. Außergewöhnlich ist die Mischnutzung einzelner Bauten: Handel oder Gastronomie, Büros und Wohnungen befinden sich unter einem Dach. Charakteristisch für das dicht bebaute Quartier ist auch das Zusammenspiel von schmalen Gassen und weiten Plätzen sowie die Öffnung zur Nachbarschaft. Dieses moderne Stadtviertel kann damit beispielhaft für die Entwicklung neuer Wohngebiete sein.

Das Alte bleibt bestehen, entwickelt sich aber ästhetisch und funktional weiter. Diesen Prozess haben das Baywa-Hochhaus und sein Umfeld im Arabellapark durchgemacht (Sonntag, 15 Uhr). Die Konzernzentrale stammt aus dem Jahr 1969. Der Komplex wurde generalsaniert, bekam eine neue Fassade und wurde um vier Etagen aufgestockt (Hild und K Architekten mit Andreas Hild, Dionys Ottl und Matthias Haber). Diese entwickeln sich aus der bestehenden Konstruktion, sind aber optisch leicht abgesetzt. Sie machen die Silhouette abwechslungsreicher und schlanker. Neben dem Turm entstand ein Basisgebäude mit fünf Stockwerken. Neu gestaltet wurden auch die Außenanlagen (Keller Damm Kollegen Landschaftsarchitektur). Statt betonierter Parkplätze - die Autos verschwinden in der Tiefgarage - gibt es nun eine großzügige Grünzone mit Bäumen. Bemerkenswert ist das Projekt, weil es zeigt, wie man mit Nachkriegsarchitektur in der Stadt umgehen kann - zu Abriss und Neubau gibt es eine Alternative. Auf dem Dach des Hochhauses befindet sich ein eigenes Taubenhaus. Damit werden die Tiere von der Fassade ferngehalten. Auf dem Gelände sind rund 300 000 Bienen in ihre Stöcke eingezogen.

Um eine andere Art von Umnutzung geht es in Laim. Der Komplex war nicht nur für die Nachbarschaft ein ewiges Ärgernis. Auch wer an der Fürstenrieder Straße 21 entlanggefahren ist, konnte das verfallende ehemalige Kaufhaus Beck "bewundern". Mehr als 25 Jahre lang tat sich nichts in dieser maroden Backstein-Burg. Zwar wechselten die Eigentümer, aber aus den vielen Ideen für neue Nutzungen wurde nie etwas, der Laimer "Schandfleck" dümpelte weiter vor sich hin. Es war der Starnberger Projektentwickler Ehret + Klein, der Leben in den Komplex brachte. Diese Revitalisierung des Blocks konzipierte das Münchner Büro Oliv Architekten, Thomas Sutor, mit Nowak Partner Landschaftsarchitektur (Samstag, 11 und 13 Uhr). Oliv verwandelte die Stahlskelettkonstruktion in eine Mischung aus Handel und Büro. Das Erscheinungsbild, so die Architekten, verändere sich vom Nachkriegsbau zur modernen Architektur mit schimmernden Metallakzenten.

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SZ vom 29.06.2019
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