Süddeutsche Zeitung

Apothekerin:Ruhepol

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Claudia Schneider de Assis hilft beim Wiesn-Virus

Von Inga Rahmsdorf

Nachts bedient Claudia Schneider de Assis ihre Kunden eigentlich nur durch das kleine Fenster hindurch. Doch manchmal muss sie eine Ausnahme machen. Wenn beispielsweise eine Frau kommt, die eine Milchpumpe braucht. "Das ist ein Notfall", sagt die Apothekerin. Da das Gerät nun einmal nicht durch das kleine Fenster passt, öffnet sie dann auch die Tür. Schließlich könne sie eine Frau mit einem Milchstau ja nicht auf den nächsten Tag vertrösten.

Schneider de Assis ist seit mehr als 25 Jahren Apothekerin und arbeitet in der Nordstern Apotheke an der Nymphenburger Straße. Die Vorrichtung mit dem kleinen Fenster ist eine Sicherheitsmaßnahme. Wenn die 53-Jährige Nachtdienst hat, ist sie schließlich von 20 Uhr abends bis acht Uhr morgens alleine im Geschäft. Bisher hat sie aber noch nie erlebt, dass jemand randaliert oder sie bedroht hat. "Die Leute sind meist sehr dankbar", sagt sie. "Manchmal bildet sich nachts auch eine Schlange und alle stellen sich geduldig an." Die meisten Kunden kommen bis Mitternacht. Danach legt sich die Apothekerin in einem Zimmer hinter dem Verkaufsraum schlafen, solange, bis jemand sie wachklingelt. "Wenn ein Kunde kommt, springe ich in die Schuhe und gehe nach vorne", berichtet sie. Nur während des Oktoberfests kommen die ganze Nacht hindurch regelmäßig Kunden. Ein Großteil mit dem Wiesn-Virus.

Schneider de Assis mag die Nachtdienste. Sie wechselt sich mit einer Kollegin ab, so dass sie alle zwei Monate eine Nacht in der Apotheke verbringt. Meistens kommen tatsächlich auch Notfälle, wie sie erzählt. Manchmal bringen aber auch Kunden ein Rezept, das bereits eine Woche zuvor ausgestellt worden ist. Einmal kam nachts um drei ein junger Mann, der um ein beruhigendes Mittel für seine Freundin bat. Die Frau sitze im Auto und sei ganz aufgeregt. Die Apothekerin gab ihm ein Mittel mit Baldrian, Melisse und Johanniskraut. Wenig später kam der Mann zurück. Das Mittel helfe nicht. Schneider de Assis bat ihn, die Frau ans Fenster zu holen.

Die Apothekerin ist auch Heilpraktikerin und hat Erfahrungen mit den Verfahren der Atemtherapie. "Dann haben wir eine halbe Stunde lang durch das kleine Fenster hindurch gemeinsam geatmet. Einatmen und verlängert ausatmen", erinnert sie sich. Danach hatte die Frau sich beruhigt.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2019
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