Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht München:Zuhälterpaar zu Haftstrafen verurteilt

Lesezeit: 2 min

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Sie war Opfer und Täterin zugleich: Das Amtsgericht München hat eine 24-Jährige wegen ausbeuterischer Zuhälterei und schweren Menschenhandels zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Einerseits musste die Frau selbst für ihren Freund anschaffen gehen. Andererseits hatte sie ihn tatkräftig dabei unterstützt, eine junge Bulgarin gefügig zu machen und so zur Prostitution zu zwingen.

Das Zuhälter-Paar hatte sein Opfer in einem Café in Berlin kennengelernt. Ihre Landsfrau war nach Deutschland gekommen, um als Putzfrau oder Bedienung zu arbeiten. Der 35-jährige Zuhälter und seine Freundin spiegelten der Arglosen vor, ihr zu einer Anstellung als Küchenhilfe in München verhelfen zu können. Sie würden ihr auch helfen, Deutsch zu lernen. Die Bulgarin willigte ein und fuhr mit nach München, wo sie sich zu dritt in einem Pensionszimmer einmieteten.

Wie dem Opfer klar gemacht wurde, worum es geht

Am Tag danach ließ der Zuhälter die Maske des freundlichen Helfers fallen. Als er Bilder von ihr machen ließ und die Bulgarin sich erstaunt erkundigte, warum sie Fotos benötigte, wenn sie als Putzfrau arbeiten solle, antwortete ihr der Mann: "Ich sage dir zum ersten und zum letzten Mal, du wirst nicht als Putzfrau arbeiten, sondern als Escort." Seine Freundin machte deutlich, was damit gemeint sei: "Dies bedeutet, dass du als Prostituierte arbeiten musst."

Als die junge Frau erschreckt protestierte, meinte der Zuhälter nur: "Niemand hat dich gezwungen, mit uns zu fahren." Sie müsse künftig 50 Prozent ihrer Einnahmen abliefern und seine Freundin werde ihr nun erklären, wie die Arbeit ablaufe. Die riet ihrer Landsfrau, keine weiteren Fragen zu stellen, da dies sinnlos sei. Aufgrund des herrischen Auftretens der Angeklagten und völlig verunsichert, welche Rechte sie in Deutschland habe, sah die Bulgarin zunächst keinen Ausweg, ihr Schicksal abzuwenden.

Die Freundin des Zuhälters schminkte das Opfer. Dann schloss das Paar die Frau ein, um einen ersten Kunden zu organisieren. Der Mann brachte sie am selben Abend in ein Hotel, wo ein Freier wartete. Für 200 Euro ging sie mit ihm ins Bett. So ging es weiter. Drei Monate lang wurde sie in verschiedenen Hotels und Privatwohnungen zu zahlreiche Kunden gebracht und verdiente dabei rund 10 000 Euro. Dieses Geld musste sie vollständig an das Paar abliefern. Statt der versprochen 50 Prozent bekam sie lediglich einmal 100 Euro für ihr Kind in Bulgarien.

Wie mit dem Opfer umgegangen wurde

Nach Erkenntnissen der Justiz hat der Zuhälter die Frau mindestens dreimal verprügelt. Als die Bulgarin nach einem Treffen mit einem Freier über den Hinterausgang eines Hotels fliehen wollte, lief sie in die Arme der Freundin des 35-Jährigen. Zurück in der Pension schlug und trat dieser sein Opfer gegen Oberkörper und Gesicht, als Strafe für den Fluchtversuch. Dabei erlitt die Bulgarin ein blaues Auge und eine Platzwunde an der Lippe. Sie fügte sich daraufhin und ging weiterhin der Prostitution nach. In einem weiteren Fall hatte der Zuhälter seine Freundin und die Geschädigte gleichzeitig verprügelt, weil beide zwei Kunden seiner Ansicht nach "zu preiswert" bedient hatten und ein Extrageld für Sonderleistungen hätten verlangen sollen. Der Fall flog auf und kam vor Gericht, nachdem ein Hotelangestellter die Polizei informiert hatte.

Das Gericht hielt der Freundin des Zuhälters zugute, dass sie nicht vorbestraft ist und ein volles Geständnis abgelegt hat: Sie habe eine eher untergeordnete Rolle gespielt, musste sich selbst prostituieren, finanzieller Nutznießer war im Wesentlichen der Zuhälter. Der ist wegen Vergewaltigung und Körperverletzung vorbestraft. Der in Bulgarien verheiratete Zuhälter stritt alle Vorwürfe ab und sagte, dass die junge Bulgarin "das so gewollt" habe. Das Gericht wirft ihm strafverschärfend vor, dass er sein Opfer auch genötigt habe, den Kunden Extrawünsche zu erfüllen. Er wurde für drei Jahre und acht Monate wegen schweren Menschenhandels, ausbeuterischer Zuhälterei und Körperverletzung hinter Gitter geschickt.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2015
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