Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht München:Angeklagter hält sich für schuldig - wird aber nicht bestraft

Lesezeit: 1 min

Von Christian Rost

Eine teure Vase wird gestohlen, ein Mann legt eine Art Geständnis ab - und wird doch nicht für die Tat bestraft. In einem am Mittwoch am Münchner Amtsgericht verhandelten Fall ist genau das passiert.

Die Staatsanwaltschaft warf dem 54-jährigen Ekrem H. vor, im März 2012 am Amiraplatz die Scheibe einer Vitrine eines Inneneinrichtungsgeschäfts mit einem Stein zertrümmert zu haben. Dann habe sich der Angeklagte aus der Vitrine eine Vase im Wert von 4800 Euro gegriffen und sei damit geflüchtet.

Wie die Ermittler auf den Angeklagten kamen

Direkte Tatzeugen gab es damals nicht. Der Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes hörte in der Ferne nur ein Klirren und sah dann noch eine sich hinter einer Mauer wegduckende Gestalt. Das einzige, worauf sich die ermittelnde Polizei stützen konnte, war die Hoffnung, am Tatort DNS-Spuren zu finden. Drei vor der Vitrine liegende Zigarettenkippen und der Stein, der als Tatwaffe angesehen wurde, kamen ins Labor. Dort brachte ein Abrieb auf dem Stein tatsächlich DNS-Material zum Vorschein. Der genetische Fingerabdruck wurde in den Polizeicomputer eingespeist und ergab einen Treffer: den staatenlosen Ekrem H.

Der Mann war zur Tatzeit starker Trinker und tingelte durch die Welt, weshalb er erst im Oktober 2015 in Paris aufgestöbert werden konnte. Seither saß er in der JVA Stadelheim in Untersuchungshaft. Vor Gericht sagte er nun, dass er zwar noch wisse, irgendwann in München gewesen zu sein, sich aber wegen seines damaligen starken Alkoholkonsums nicht mehr an die Tat erinnern könne. "Ich fühle mich aber trotzdem schuldig. Höchstwahrscheinlich habe ich das getan", sagte H.

Dann kam der Sicherheitsmann als Zeuge in den Saal - und erkannte H. nicht wieder. Der sich wegduckende Mann damals, so der Zeuge, sei kleiner gewesen als der Angeklagte. Dem Gericht blieb nichts anderes übrig, als das Verfahren einzustellen.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2016
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