Süddeutsche Zeitung

Allach/Untermenzing:Neuer Mieter-Mix

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Die Stadtviertelvertreter würden die Hälfte der Apartments im Wohnen-für-alle-Projekt an der Erwin-Schleich-Straße gern an Menschen in sozialen Mangelberufen vergeben statt an anerkannte Flüchtlinge und Wohnungslose

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Der Bezirksausschuss (BA) hat in seiner Sondersitzung für das umstrittene "Wohnen-für-alle"-Vorhaben an der Erwin-Schleich-Straße eine ganze Reihe von Forderungen und Wünschen an die Stadt gerichtet, um den Interessen von Anwohnern entgegenzukommen. Als inhaltlich wohl wichtigste Kompromisslösung soll die Stadt prüfen, ob das Projekt zur raschen Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen und Geringverdienern halbiert und auf vier der acht Häuser beschränkt werden kann. Die andere Hälfte soll ebenfalls im sozialen Wohnungsbau für Menschen in sozialen Mangelberufen vorgesehen werden, alternativ soll ein Haus für Kinder entstehen.

Die Sitzung am Dienstagabend im Foyer der Grundschule an der Manzostraße an der rund 60 Bürger teilnahmen, verlief sachlich und fast schon konstruktiv. Thematisch gebündelt behandelten die Stadtviertelvertreter die zahlreichen Bürger-Anträge, die nach Bekanntwerden der Pläne der Stadt eingegangen waren, und bezogen erstmals Stellung zu dem Thema. Die BA-Vorsitzende Heike Kainz (CSU) ließ in der dreistündigen Versammlung noch einmal jeden zu Wort kommen, der etwas sagen wollte. Selbst Vertreter der Bürgerinitiative für den Erhalt der Grünfläche, die nach eigener Aussage an die 2000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt haben, applaudierten am Ende.

Dabei hat sich der BA nicht gegen die Bebauung des städtischen Grundstücks ausgesprochen, für das seit 1994 ein Bebauungsplan besteht. Für unausgegoren hält er allerdings den Zugang über die Erwin-Schleich-Straße auf das Grundstück: Dieser besteht - BA-Mitglieder haben eigens nachgemessen - aus einer acht Meter breiten Sackgasse, die einmal gemischte Verkehrsfläche ohne eigenen Gehsteig werden soll. Nach damaligen Gesichtspunkten zur Zeit der Bebauungsplanaufstellung sei dieser Zugang vielleicht ausreichend gewesen, sagte Heike Kainz. Doch nach heutigen Maßstäben sei er in keiner Weise mehr hinreichend. Das soll die Stadt jetzt noch einmal prüfen. Wichtig ist dem BA außerdem, dass die verkehrliche Erschließung fertiggestellt ist, bevor die Häuser stehen.

Ein besonders wunder Punkt ist auch die Versorgung mit Schulen und Betreuungsplätzen. Erst kürzlich hatte wieder einmal eine Elternvertreterin in der BA-Sitzung auf überalterte Schulbauten und fehlende Betreuungsmöglichkeiten im Stadtbezirk hingewiesen. Zwar erhält Allach-Untermenzing eine vierte Grundschule, doch die ist erst in Planung. Und auch die für Kinder vorgesehenen Einrichtungen auf dem Diamalt-Gelände dauern noch. Deshalb fordert der BA von der Stadt, noch vor Baubeginn die Schulversorgung und Betreuung für die zu erwartenden 80 bis 90 Kinder zu gewährleisten.

Nachdem die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag, die das Vorhaben im Auftrag der Stadt realisieren soll, die Pläne hatte abspecken müssen, sollen statt der ursprünglich vorgesehenen 85 Wohnungen 52 entstehen. Doch auch das ist manchen Bürgern noch zu viel, zumal in unmittelbarer Nähe bereits zwei Pensionen für von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen bestünden. Ob diese von privat oder von der Stadt belegt werden, konnte in der Sitzung auch mit Hilfe der anwesenden Vertreter des Amts für Wohnen und Migration nicht geklärt werden.

Anwohner berichteten, dass auf dem Gelände bereits Tätigkeiten mit schwerem Gerät und Autos stattfänden, die alles niedertrampelten und plattmachten, auch die Nester der Erdhummeln. Wie wolle man auf diese Weise noch eventuell wertvolle Pflanzen und Tiere finden? Die Beobachtungen will der BA zur Überprüfung an die Untere Naturschutzbehörde weiterleiten, fordert darüber hinaus aber noch selbst, Flora und Fauna besonders zu untersuchen, weil sich in mehr als 20 Jahren auf der Wiese vieles entwickelt und angesiedelt haben könnte.

Eine eigene Busanbindung hält der BA nicht für notwendig. Zehn Minuten Fußweg zur nächsten Haltestelle seien zumutbar, so der Tenor. Allerdings will man darauf dringen, die Einsatzzeiten zu verlängern. Ein Mann sagte, er wundere sich, dass noch nie zur Sprache gekommen sei, dass die Wohnen-für-alle-Objekte laut Stadtratsbeschluss nur auf vollständig erschlossene Grundstücke gebaut werden sollen. Und das treffe auf das Grundstück nicht zu. Auch das will der BA noch prüfen lassen, auch wenn Heike Kainz die Frage nach den Folgen aufwarf: Sollte das Wohnen-für-alle-Projekt nicht kommen, werde das Grundstück trotzdem bebaut werden, wenn auch anders. "Und ob Ihnen das Ergebnis dann besser gefallen würde, kann ich nicht garantieren."

Anträge, Stellungnahmen und Empfehlungen aus der Bürgerversammlung sollen noch vor der Sommerpause vom Stadtrat behandelt werden. Ob sich der ehrgeizige Zeitplan der Gewofag - Ende 2019 soll Einzug sein - bei dem großen Prüfungskatalog einhalten lässt, ist allerdings offen.

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SZ vom 19.04.2018
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