Süddeutsche Zeitung

Allach/Untermenzing:"Eine Katastrophe"

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An den vorliegenden Plänen für die Bebauung des ehemaligen Diamalt-Geländes entzündet sich im Bezirksausschuss erneut harsche Kritik - und die Forderung nach Ablehnung des Entwurfes

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Die Grünen sind noch einmal groß in die Diskussion um die Bebauung des ehemaligen Diamalt-Geländes eingestiegen. "Ich halte den Bebauungsplan für eine Katastrophe und eine städtebaulich vertane Chance", sagte Grünen-Sprecher Falk Lamkewitz in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA). Er appellierte an die Stadtviertelvertreter, den Mut aufzubringen und den Entwurf schlicht abzulehnen: "Wir müssen uns nicht sklavisch dem Siegerentwurf unterordnen." Unterstützung erhielt er von Henning Clewing (FDP), der von einer "miserablen Lösung" sprach. Auch aus den Reihen der CSU gab es Kritik.

Aus den vorliegenden Plänen sei überhaupt nicht ersichtlich, wo die künftigen Zufahrten zu den Tiefgaragen der Wohngebiete liegen, erläuterte Stefanie Martin (CSU), Vorsitzende des Unterausschusses Planung und Bau. Auch gebe es keine Aussage, wie viele Stellplätze für rund 730 Wohnungen vorgesehen seien. Klar werde nur, dass die etwa 100 Wohneinheiten des kleineren Co-Partners, der Münchenbau GmbH, im südwestlichen Teil des Geländes über die Georg-Reismüller-Straße verkehrlich erschlossen werden sollen. Nicht erkennbar sei, wie viele der anderen 630 Wohnungen, welche die Isaria Wohnbau AG erstellt, noch über die Georg-Reismüller-Straße angebunden werden sollen. "Da hätten detailliertere Aussagen hergehört", sagte die CSU-Stadträtin und BA-Vorsitzende Heike Kainz. Ingrid Haussmann (parteifrei) warnte vor noch mehr Verkehr in der Georg-Reismüller-Straße, der nach Fertigstellung der neuen Park-and-ride-Garage am Oertelplatz ohnehin zunehmen dürfte.

Lamkewitz wandte sich dagegen, jetzt an "Details herumzudoktern". Fakt sei, dass der Wettbewerbsvorschlag gegen so gut wie alle Überlegungen des Eckdatenbeschlusses verstoße und keines der grundsätzlichen Dinge einhalte. So sollte es ursprünglich keine Ein- und Ausfahrten über die Georg-Reismüller-Straße geben, das Gelände sollte begehbar und die Sichtachsen auf die denkmalgeschützten Industriebauten erhalten bleiben. "Und nun kommt auf dieses Filetstück die minderwertigste Bebauung weit und breit."

Das Problem sei der Siegerentwurf, nach dem die Bebauung jetzt umgesetzt werden soll, sagte Friedrich Schneller (SPD). Diesen hatte offenbar so gut wie kein Gremiumsmitglied favorisiert, aber man sei vom Schiedsgericht überstimmt worden. Einem Teil des BA-Gremiums, darunter auch Heike Kainz, hatte das zweitplatzierte Modell besser gefallen, die Grünen bevorzugten den dritten Platz. Beide Entwürfe hatten die Räume zur Georg-Reismüller-Straße hin weitgehend frei gehalten und die dichtere Bebauung entlang der Bahnlinie und der Ludwigsfelder Straße angeordnet. Das von privat in ein Wohn- und Geschäftshaus umgebaute historische Kesselhaus wäre bei beiden als Blickpunkt von der Georg-Reismüller-Straße aus erhalten geblieben. Entwurf zwei sah versetzt stehende, geometrische Gebäude und Winkelbauten vor, der dritte geschwungene und locker gesetzte Baukörper, umgeben von einer Riegelbebauung an der Bahn und entlang der Ludwigsfelder Straße. Auch beim Siegerentwurf stehen Kesselhaus und Suppenwürze auf einem freien Platz im Mittelpunkt, er sieht allerdings eine Bebauung entlang aller drei Seiten des Areals vor.

Nummer drei wäre für die Grünen die Chance gewesen, ein zukunftsweisendes und innovatives Konzept im Stadtbezirk zu erhalten, jetzt werde es nur wieder eine 08/15-Bebauung, die sich wie eine Burg von der Umgebung abkapsle. Schneller hielt die neuerliche Diskussion für ein Wunschdenken: "Der Zug ist abgefahren." Und auch nicht alle hielten die Riegelbebauung des dritten Entwurfs im Osten und Norden für unproblematisch. Heike Kainz erinnerte daran, dass man auch kurz davor gewesen war, einen Baumarkt auf das Gelände zu bekommen. Doch der Frust ist groß: "Das Schlimme ist", sagte Josef Feig (CSU), "dass wir uns so lange darüber Gedanken gemacht haben und nichts davon ist eingeflossen." Ingrid Haussmann plädierte für mindestens ein oder zwei optische Öffnungen an der Georg-Reismüller-Straße, andernfalls blieben die "tollen" Industrierelikte im Inneren im Verborgenen.

Als positiv wertete Stefanie Martin, dass ausreichend Kindertagesplätze geschaffen würden. Die an der Ludwigsfelder Straße vorgesehene Kita werde nach Süden verlegt, die zweite befinde sich im Geländeinneren. Spannend sei, dass bei beiden Kitas die Freiflächen auf den Dächern vorgesehen seien. Die Schulversorgung werde über die geplante Grundschule an der Theodor-Fischer-Straße sichergestellt, welche die Grundschulen an der Eversbusch- und Pfarrer-Grimm-Straße entlasten soll. Weniger gut sei, dass eine "Interimsschule" auf einem Gelände an der Schöllstraße für den Fall vorgesehen sei, dass die neue Grundschule doch nicht rechtzeitig fertig werde. Angehenden Gymnasiasten verschaffe das gemeinsam von der Gemeinde Karlsfeld und der Stadt München geplante Verbandsgymnasium zusätzliche Plätze.

Abgelehnt, wie von den Grünen gefordert, wurde der Bebauungsplan letztlich nicht. Allerdings fordern die Stadtviertelvertreter eine Fristverlängerung für ihre Stellungnahme, bis alle noch offenen Fragen beantwortet sind.

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SZ vom 25.03.2017
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