Süddeutsche Zeitung

Abstellmöglichkeiten für Pendler:Chaos auf Rädern

Lesezeit: 3 min

An vielen Bahnhöfen ärgern sich Pendler über Fahrradverhaue und fehlende Abstellmöglichkeiten. Die Stadt Dachau will das Problem nun mit einem Fahrradparkhaus lösen - in München liegt ein ähnliches Projekt seit Jahren auf Eis.

Von Marco Völklein

Auch an diesem Mittwochmorgen hetzt Tim König erst einmal die lange Reihe von Radlständern im Pasinger Bahnhof entlang. "Immer dasselbe", schimpft er. Obwohl es erst halb acht Uhr in der Frühe ist, sind die meisten Fahrradständer bereits belegt. Oder besser: "Dauerbelegt", wie König sagt. "Überall nur Schrott. Ein Verhau ohne Ende." Wieso, fragt er, "schaffen die Leute es eigentlich nicht, ihre alten Böcke mit nach Hause zu nehmen und da verrotten zu lassen?" Stattdessen blockieren sie nun die Stellplätze in Pasing. Und Radler wie Tim König, die täglich aufs Neue nach einem Abstellplatz für ihr Rad suchen, ärgern sich.

Der Radlverhau an U- und S-Bahnhöfen ist ein Dauerproblem. Nicht nur für die Radler, aber auch Passanten ärgern sich über die Berge von Schrott, die an den Stationen stehen. Und in den Rathäusern führen die offensichtlich herrenlosen und schrottreifen Räder immer wieder zu heftigen Debatten. Nicht zuletzt, weil Radfahrer auch Wähler sind. Und diese einen sicheren, möglichst sogar noch trockenen, zumindest aber relativ nahen Abstellplatz für ihr Fahrrad in der Nähe eines MVV-Bahnhofes einfordern, wenn sie auf das Auto verzichten und mit Rad und Bahn fahren.

"Für Autos werden auch ständig neue Parkhäuser gebaut", sagt zum Beispiel ein anderer Fahrrad-S-Bahn-Pendler an diesem Mittwochmorgen in Pasing. "Warum eigentlich nicht für Fahrräder?"

In der Tat gibt es mittlerweile in vielen anderen Städten Fahrradparkhäuser, die beliebt sind und extrem gut angenommen werden. Nicht selten übernehmen Sozialeinrichtungen oder gemeinnützige Träger den laufenden Betrieb und bieten zum Beispiel Langzeitarbeitslosen eine Chance: Menschen, die jahrelang auf dem Arbeitsmarkt nicht unterkamen, nehmen die Räder entgegen, nehmen auf Wunsch kleinere Reparaturen vor oder verkaufen am Abend, wenn der Kunde das Rad wieder abholt, noch einen neuen Schlauch. Vielen Fahrradnutzern würde es aber auch schon reichen, wenn nur genügend Radlständer an den Bahnhöfen vorhanden wären, damit sie ihr Velo sicher, komfortabel und bequem anschließen könnten.

Doch der Alltag der Pendler sieht anders aus. Egal, ob in Freising, Poing oder Haar, Laim, Garching oder Pasing, überall herrscht das Fahrradchaos. Auch in Dachau. Doch dort soll damit bald Schluss sein.

Platz für 1200 Räder

Der Rat der Stadt hat vor kurzem einstimmig den Bau einer zweigeschossigen Bike & Ride-Anlage verabschiedet. Das Radlparkhaus soll Platz für bis zu 1200 Fahrräder bieten - und auch eine WC-Anlage aufnehmen, die von Bürgern wie Politikern seit Jahren gefordert wird. 1,7 Millionen Euro wird das Ganze kosten. Pro Jahr fallen 26 000 Euro an Unterhaltskosten an, weitere 16 000 Euro für die Toilettenanlage.

Die Stadt hofft so, zum einen das Dauerproblem "Radlverhau" in den Griff zu bekommen - teilweise parkten die Radfahrer ihre Gefährte direkt in der Unterführung zu den Bahnsteigen. Zum anderen will die Stadt so die Kombination Rad- und Bahnfahren den vielen Pendlern schmackhaft machen. Und unterm Strich die Belastung durch den Autoverkehr mindern.

Ein Ansatz, den auch die Planer der Stadt München verfolgen - eigentlich. Seit mehr als zehn Jahren ist eine solche Station am Hauptbahnhof geplant, am Starnberger Flügelbahnhof in der Arnulfstraße. Der Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher hat zudem eine Radlparkgarage in Neuperlach-Süd angeregt. Doch bis auf eine neue Abstellanlage am Pasinger Bahnhof geht so gut wie nichts voran.

Das hängt, zumindest am Hauptbahnhof, vor allem mit einigen Großprojekten der Deutschen Bahn zusammen. Denn die Flächen, auf denen das Fahrradparkhaus geplant ist, gehören dem Schienenkonzern. Und der wiederum hat unter anderem mit dem Gewürge um die zweite S-Bahn-Stammstrecke zu kämpfen - und dem Neubau des Hauptbahnhofs. Für die Bahn ist klar: Erst wenn der Baubeginn für die zweite Stammstrecke feststeht und die damit verbundene Entscheidung über den neuen Hauptbahnhof gefallen ist, kann das Radlparkhaus gebaut werden.

Mangelndes Interesse bei der Bahn

Ohnehin sieht sich die Bahn beim Thema Fahrradabstellplätze nicht gefordert. Das sei Aufgabe der jeweiligen Kommunen. Auch der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) berät allenfalls die Städte und Gemeinden. So wie in Dachau, wo der MVV ein Gutachten zum Bedarf erstellt hatte, das die Stadt nun als Grundlage verwenden kann, um Zuschüsse aus einem speziellen Förderprogramm in Höhe von bis zu 550 000 Euro zu beantragen.

Dennoch ärgern sich viele Lokalpolitiker immer wieder darüber, dass der Schienenkonzern beim Bau neuer Radlabstellplätze nicht selten bremst. Denn oft müssen die Kommunen zunächst Flächen an den Bahnhöfen von der Bahn kaufen, um überhaupt bauen zu können. Diese Gespräche allerdings sind oftmals äußerst zäh - auch weil ständig die Ansprechpartner wechseln.

Entfernung von Schrotträdern ist juristisch heikel

Wenn schon der Bau neuer Abstellmöglichkeiten eine so zähe Angelegenheit ist, dann sollten zumindest die Schrotträder entfernt werden. Fordern Radfahrer wie Tim König. Die Stadt, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und auch die städtische Park & Ride GmbH schicken dazu zwar regelmäßig Trupps los, diese Woche zum Beispiel an den Brennpunkt in Pasing. Doch die Monteure kommen kaum nach; zumal die Sache auch noch juristische Fallstricke bietet. Und deshalb die Stadt eher behutsam gegen den Schrott in Radständern vorgeht.

Die MVG wiederum hofft, mit ihrem neuen Radverleihsystem, das vom Jahresende 2014 an sukzessive aufgebaut werden und unter der Marke "MVG Rad" laufen soll, den Radlverhau zumindest ein bisschen eindämmen zu können. Derzeit können sich interessierte Firmen für diese Kooperation bewerben. Radl-Fan König indes glaubt nicht, dass ihm die neuen Leihräder mehr Platz am Pasinger Bahnhof verschaffen. "Eigentlich hilft doch da nur eines", sagt er. "Bolzenschneider und Schrottpresse - und zwar radikal."

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Quelle:
SZ vom 07.07.2014
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