Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Prüfstand

Gerät, auf das etwas gestellt wird. Leider nicht nur in der Industrie.

Von Detlef Esslinger

Der Präsident des Bundesrechnungshofs kritisiert die Regierung und greift dazu in den Wörterschrank, in dem auch der Spielball, das Zugpferd, die Spitze des Eisbergs und das grüne Licht lagern. "Alle Einnahmen und Ausgaben müssen auf den Prüfstand gestellt werden", sagt Kay Scheller. Dies dürfte scheitern; aber anders, als er meint. Bei Prüfständen handelt es sich um Geräte, mit denen Funktionsfähigkeit getestet wird - von Motor, Reifen oder Bremsen. Ein Prüfstand ist also ein dreidimensionales Gerät zur Prüfung von dreidimensionalen Geräten - sollte es Scheller tatsächlich gelingen, Einnahmen und Ausgaben darauf zu stellen: Er besäße metaphysisches Talent. Vermutlich aber hat er derlei nicht vor. Im realen Leben gibt's den Prüfstand nämlich nicht nur bei BMW und beim TÜV, sondern als Redewendung, die sich nie ausruhen darf im Wörterschrank. Der Rechnungshof-Präsident hätte auch sagen können, alle Einnahmen und Ausgaben müssten geprüft werden. Aber rätselhafterweise meinen so viele, die geblähte Formulierung habe per se mehr Wucht als die schlanke. Daher ist auch immer alles "im Vorfeld" statt "vorher", in "weiter Ferne" statt in der Ferne. Eigentlich schade, dass es für Sprache keinen Prüfstand gibt.

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